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Eine Einzelhaltungs-Geschichte - erzählt von
Jacko
Autor: Sabine
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Hallo, darf ich mich
vorstellen? Ich bin Jacko, ein Nymphensittichhahn,
und ich möchte euch eine Geschichte erzählen.
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Angefangen hat alles vor anderthalb Jahren, als mein Frauchen mich
aus dem Tierheim holte. Sie wollte doch so unbedingt einen Vogel
haben. Mensch Leute, wisst Ihr, wie ich mich gefreut habe? Nachdem
ich nun solange im Tierheim alleine gesessen hatte, sollte ich ein
schönes, bleibendes Zuhause bekommen. Ich stellte mir meine
Zukunft so schön vor. Viel Freiflug, Beschäftigung - und
einen Nymphenpartner, mit dem ich mein Leben verbringen könnte.
Ich träumte von einer wunderschönen Nymphendame, die ich
kraulen und füttern dürfte, mit der ich mich unterhalten
und Ausflüge machen könnte, und noch so vieles mehr. Mit
ihr könnte ich mein Leben so richtig genießen. Wir sind
nämlich sehr gesellige Vögel, leben auch in der Natur
im großen Schwarm und machen alles gemeinsam. Davon hatte
ich immer geträumt! Leider sollte das alles nur ein schöner
Traum bleiben.
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Ich verbrachte mein Leben ganz alleine bei den Menschen. Mein Frauchen
meinte es gut und hängte mir einen Spiegel in den Käfig.
Ich sollte wohl glauben, dass da ein Partner sitzt. Zugegeben: Ich
glaubte das erst mal auch und versuchte, diesen dämlichen Spiegel
zu füttern.
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Das hat meinem Kropf aber gar nicht gut getan. Ich bekam eine Kropfentzündung,
weil mir dieses Spiegelbild ja mein hochgewürgtes Futter nicht
abnehmen konnte. Als mein Frauchen dann mit mir vom Tierarzt kam,
nahm sie den Spiegel sofort raus. Ja ja, so sind sie, die Menschen.
Spiegel oder Plastikvogel als Partnerersatz, phh, Sachen gibt's!
Okay, mein Frauchen ließ mich ja jeden Tag in der Wohnung
fliegen, und sie setzte sich auch hin und erzählte mir was
in der Menschensprache. Nur konnte ich sie leider nicht verstehen.
Ich verstehe doch nur "Nymphisch". Wir sprechen nämlich
unsere eigene Sprache, müsst Ihr wissen. Wenn die Wellensittiche
von der netten Nachbarin nebenan zwitscherten, dann piepte ich zwar
zurück, als ob ich eine Antwort geben würde - dabei verstand
ich die beiden gar nicht, das war ja schließlich Wellensittichsprache!
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Manchmal hielt ich Frauchen meinen Kopf hin. Wie sehr sehnte ich
mich nach einem Nymphensittichweibchen, das mir den Kopf krault!
Statt dessen kam nur ein menschlicher Finger zum Kraulen. Ja ja,
es war auch schön. Aber so ein Finger kann einen zärtlichen
Vogelschnabel doch nicht ersetzen. Das machte mich unendlich traurig.
Mein Frauchen dachte immer es würde mir gut gehen, weil ich
einfach nicht den Eindruck machte, dass es mir schlecht gehen würde.
Fand sie jedenfalls. Eines Tages dann brach die Sehnsucht nach einem
Partner richtig aus mir heraus. Ich wollte nicht mehr alleine sein.
Ich wollte jemanden haben, der 24 Stunden am Tag für mich und
nur für mich da ist. Meine Verzweiflung hatte mich so überwältigt,
dass ich eines Tages anfing, mir die Federn auszureißen. Ich
fühlte mich doch so schrecklich einsam, und mein Frauchen verstand
mich einfach nicht. Sie ging zwar mit mir zum Tierarzt, aber der
konnte mein Leiden auch nicht abstellen. Gegen Einsamkeit gibt es
leider keine Spritzen oder Pillen. Mein Frauchen beobachtete mich
ständig, doch es stellte sich keine Besserung bei mir ein.
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Ich war so traurig und so allein. Frauchen, warum wusstest du denn
nicht, was mir fehlte? Wusstest du denn nicht, dass man Vögel
niemals alleine hält? Hättest du dich doch vor meiner
Anschaffung nur besser informiert. Dann wäre mir mein Leiden
erspart geblieben, und ich hätte mir vor Einsamkeit nicht die
Federn ausrupfen müssen.
Eines Tages kam die nette Nachbarin, die diese zwei Wellensittiche
hat, zu uns. Mein Frauchen erzählte ihr von dem Unfug, den
ich da neuerdings machte und zeigte ihr die kahlen Stellen. Auf
einmal traute ich meinen Ohren nicht! Ich hörte, wie die nette
Nachbarin zu meinem Frauchen sagte, das mein Verhalten daher rühre,
weil ich allein gehalten würde. Mein Gott, ich konnte es nicht
fassen! Ein Mensch hatte mein Leiden erkannt. Aber ob es auch mein
Frauchen tun würde???
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Manche Menschen tun sich unheimlich schwer damit, zwei Vögel
zu halten - obwohl sie uns einen sehr sehr großen Gefallen damit
tun würden. Ich verstehe solche Menschen nicht. Wollen die etwa
ihr Leben immer nur alleine verbringen? Wir Vögel müssen
sowas ja leider dulden. Wir können es den Menschen nicht sagen.
Na, jedenfalls riet die Nachbarin meinem Frauchen, mir schnellstmöglich
ein Nymphensittichweibchen zu besorgen. Dann würde ich bestimmt
in einiger Zeit mit dem Rupfen aufhören. Mein Frauchen wollte
eigentlich immer nur das Beste für mich, auch wenn sie aus Unwissenheit
bis dahin genau das Falsche getan hatte. Wir fuhren also bald zu einem
Nymphensittichzüchter, bei dem ich mir mein lang ersehntes Weibchen
sogar selber aussuchen konnte. Bald hatte ich meine Herzensdame gefunden
und konnte sie mit nach Hause nehmen.
Endlich hatte ich einen Partner - und damit genug um die Ohren!
Diese Weibchen wollen ja schließlich auch ihre Streicheleinheiten
bekommen. Mein Traum wurde also doch noch wahr, und wir können
endlich gemeinsam fliegen, gemeinsam fressen, gemeinsam die Gegend
erkunden und und und. Da bleibt mir kaum noch Zeit, um mir die Federn
auszurupfen. Diese schreckliche Zeit muss ich allerdings erstmal
verdauen - das kann noch ein Weilchen dauern. Aber ich weiß,
dass ich damit bald ganz aufhören kann und meine kahlen Stellen
wieder mit meinen schönen Federn zuwachsen werden. Jetzt geht
es mir wieder gut - alles was ich wollte, war ein Partner. Warum
musste ich dafür bloß so viele Leidenswege auf mich nehmen...?
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Lieber
Jacko, wohl aus Unwissenheit und falscher Tierliebe...
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Aktion gegen Einzelhaltung
- mehr Informationen finden Sie auf der Seite http://www.paarhaltung.info |
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