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Eine Amselfamilie zu Besuch
geschrieben von Taro
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Letztes Jahr Anfang Mai war's: Ich saß gemütlich schmökernd
auf dem Sofa und bekam aus dem Augenwinkel mit, wie immer wieder dunkle
Schatten auf den Balkon sausten. Irgendwann sah ich dann richtig hin:
Ein Amselpärchen war es, das sich da eifrig an unserem Lavendeltopf
zu schaffen machte. Die beiden bauten ein Nest, und das in Windeseile:
Zwei Tage später war das kunstvolle Werk vollbracht.
Einen tollen Platz hatten die beiden sich da ausgesucht: In der
Ecke eines überdachten
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Balkons, geschützt vor Wind und Wetter, Elstern
und Eichhörnchen, Lavendelduft inklusive, und das im vierten
Stock mit einem prächtigen Ahorn zum Anfliegen und Lage peilen
direkt gegenüber! Der einzige Schönheitsfehler waren wahrscheinlich
wir Menschen...
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Frau Amsel legte jedenfalls bald wunderhübsche Eier in das
Nest. Erst nach der Ablage des fünften Eis fing sie an zu brüten.
Manchmal hockte sich der Amselvater auf die Balkonbrüstung
und sah nach dem Rechten. Ab und zu flog die Amselmutter kurz weg
- Zeit für mich zum Blumen gießen, aber schnell!
In schlauen Büchern war die Brutzeit der Amseln nachzulesen;
leider würden wir zur Schlüpfzeit eine Woche nicht da
sein, aber unsere liebe "Kanarien-Sitterin" würde
uns ja berichten können, was sie auch ganz aufgeregt tat: Ganz
pünktlich waren die kleinen Amseln geschlüpft, fünf
waren es, und die Eltern waren eifrig damit beschäftigt, sie
zu wärmen und zu füttern. Als wir wieder nach Hause kamen,
waren die Küken schon ein ganzes Stück gewachsen und leicht
befiedert. Aber es waren nur noch vier. Was mit dem fünften
passiert ist, wissen wir nicht. Wir fanden keine Spur von ihm auf
dem Balkon und auch nicht unten im Garten. Doch eine Elster oder
ein Eichhörnchen? Oder war es zu schwach, und die Eltern haben
das tote Küken fortgebracht?
Die vier verbliebenen Kleinen wuchsen wie die Feuerwehr. Die Bettelrufe
wurden von zartem Piepsen zu kräftigem Geschrei. Abwechselnd
flogen Vater und Mutter mit dem Schnabel voller Würmer heran;
wir konnten genau beobachten wie sehr sie darauf achteten, dass
es gerecht zuging.
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Das Nest wurde den Küken bald zu eng. Die nun schon dunkel
befiederten Rücken der Amselkinder ragten aus dem Nest heraus.
Manchmal konnten wir auch ein pralles Bäuchlein sehen, wenn
man sich mal wieder zankte, wer oben liegen durfte. Eines schönen
Tages wurde es dem ersten Küken zu bunt. Es rappelte sich aus
dem Nest und flatterte auf den nahen Balkonstuhl und von dort auf
die Balkonbrüstung. Und dann ein gewagter Satz, und es ging
auf den nahen Baum. Da musste man sich erst einmal ausruhen...
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Eigentlich ja wunderbar, aber wir sahen uns trotzdem ein bisschen
traurig an. Mittlerweile waren wir so an die Amselfamilie gewöhnt,
dass wir uns kaum mehr vorstellen konnten, uns nicht mehr alle zehn
Minuten an die Balkontür zu pirschen und Wachstum und Lebensfreude
zu beobachten. Am nächsten Morgen waren dann auch die verbliebenen
drei Küken auf einmal ausgeflogen - wie schön, dass gerade
an diesem Tag unser Kanarienküken schlüpfte! Da hatten
wir wieder zu tun...
Ab und zu sahen wir die kleinen Amseln noch im Garten, wie sie
- immer noch bettelnd - hinter ihren Eltern herhopsten und von Büschen
und Bäumen aus das Kunstfliegen übten. Als es im Winter
so kalt war, kamen sie uns besuchen und holten sich Obst ab (wir
sind uns jedenfalls ganz sicher, dass es "unsere"Amseln
waren). Und wer weiß: Vielleicht möchte ja eine von ihnen
wieder bei uns brüten - wir hätten nichts dagegen.
Es verlief alles ja auch ganz reibungslos - zum Glück, wir
hätten uns sonst erst sehr gut informieren müssen. Aber
ab wann kann man überhaupt von einem "Brut-Notfall"
sprechen? Und was ist dann zu tun? Lest mehr darüber in Blueys
Artikel: Küken
gefunden ... Küken aufnehmen?
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