So begann an einem Samstagmorgen im zeitigen Frühjahr vor
vielen Jahren ein zunächst aufregendes aber letztendlich wunderbares
Erlebnis.
Ich verstand nur Bahnhof, schnappte mir unseren Hund und schaute
gespannt zur Tür. Gleich darauf kam mein Mann mit etwas in
einer Decke eingehülltem herein und verschwand damit im Badezimmer.
Jetzt wollte ich es aber wissen. Dem Hund gab ich seinen Knochen
und verfrachtete ihn ins Wohnzimmer. Dann nix wie ab ins Bad. Dort
kniete mein Mann auf dem Boden vor einem ziemlich in sich zusammengesunkenen
Ententier.
Was war passiert?
Mein Mann wollte an diesem Morgen kurz zur Arbeit fahren, weil er
am Vortag was vergessen hatte. Direkt an der Verbindungsstraße
zu unserem damaligen Wohnort liegt eine Fischteichanlage mit drei
Teichen. Hier hielten sich immer mehrere Enten auf. Als mein Mann
in Höhe der Teichanlage vorbeifuhr, flog ihm plötzlich
eine der Enten ins Auto (sowas geht ja immer so entsetzlich schnell).
Er hielt sofort an, um nach der Ente zu sehen. Sie kauerte auf der
Straße. Äußere Verletzungen waren nicht zu erkennen,
aber sie bewegte sich nicht.
Kurzentschlossen packte er sie vorsichtig in eine Decke und fuhr
auf direktem Weg zu einer uns bekannten Tierärztin. Diese diagnostizierte
eine Gehirnerschütterung und einen gestauchten Flügel.
Nach ein paar Stunden Ruhe könne die Ente wohl wieder an ihren
Teich.
Da saßen wir, betrachteten das Häufchen Elend und überlegten
was zu tun sei. Sofort beschlossen wir, die Ente so lange zu beherbergen,
bis sie unseres Erachtens wieder hundertprozentig gesund sei. Schließlich,
meinte mein Mann, habe er sie ja angefahren (wenn auch nicht absichtlich).
Er fuhr schließlich wieder los, um spezielles Entenfutter
zu besorgen. In der Zwischenzeit richtete ich der Ente mit einem
großen Badetuch ein "Nest" ein und stellte ihr eine
große flache Schüssel mit Wasser hin. Danach ließ
ich sie erst mal in Ruhe. Bis zum Abend schaute ich mehrmals vorsichtig
nach, aber ihr Zustand hatte sich bis dahin nicht verändert.
Mir fiel auf, dass die Augen wie blutunterlaufen wirkten. Ich machte
mir jetzt doch ziemliche Sorgen. Damit sie wenigstens für die
Nacht etwas Flüssigkeit aufnahm, flößte ich ihr
mittels einer Pipette Wasser ein. Das meiste ging zwar daneben aber
ich merkte, dass sie einen Teil schluckte.
Am Morgen saß sie immer noch regungslos da. Das bereitgestellte
Futter war nicht berührt. Ich überlegte fieberhaft, wie
ich ihr mehr Flüssigkeit und irgendwas Nahrhaftes beibringen
könnte. Die - vielleicht rettende - Idee kam mir erst am Nachmittag.
Wir hatten im Garten einen Naturteich, der bisher nur von verschiedenen
Amphibien "bewohnt" wurde. Ein Teil des Teichs war bedeckt
mit Wasserlinsen, der sogenannten "Entengrütze".
Eine Schüssel voll davon holte ich rein und bot es ihr an.
Sie stand zwar nicht auf, schien aber doch interessiert, streckte
den Kopf etwas vor und berührte mit leicht geöffnetem
Schnabel die "Grütze". Offensichtlich hatte der Anblick
von etwas Vertrautem ihre Lebensgeister wieder geweckt.
So besserte sich ihr Zustand langsam aber stetig, endlich nahm sie
Futter an und trank. Wir entschieden, sie zur weiteren Pflege in
unserem Badezimmer zu lassen.
Hier war einfach die nötige Ruhe (insbesondere wegen unseres
Hundes) und ihr Umfeld ließ sich am besten sauber halten.
Wir hatten ja vorher keine Ahnung, welche Größenordnung
die Ausscheidungen von Enten haben können. Naja, Hauptsache
war, dass es ihr besser ging. Außer dem Entenfutter und den
Wasserlinsen boten wir ihr noch frisch gerupftes Gras, eingeweichtes
ausgedrücktes Brot sowie Salat inklusive Schnecken (das war
die Idee meines Mannes).
Nach ungefähr einer Woche schaute sie erwartungsvoll hoch,
wenn einer von uns das Bad betrat und watschelte schon etwas umher.
Wir nannten sie Duck - ohne Donald, da Geschlecht unbekannt :-).
Ehrlich gesagt, diese ungewöhnliche "Gesellschaft"
beim Duschen oder Baden machte auch Spaß. In dieser Zeit verbrachte
ich extrem lange Zeiten in der Wanne und beobachtete die Ente. Das
mag verrückt klingen, aber dieses Beobachten vermittelte mir
einen guten Überblick, wie es ihr ging und ob sie sich wohl
fühlte. Eines Abends stellte sie doch tatsächlich Versuche
an, in die Wanne zu kommen. Das verhinderte ich natürlich wegen
des Seifenwassers und ließ dieses schnellstens ablaufen. Offenbar
wollte sie jetzt doch so langsam mal wieder "Wasser unter die
Füße" kriegen.
Zunächst versuchte ich es mit der Duschwanne. So hoch wie möglich
ließ ich dort Wasser einlaufen, dekorierte es mit Wasserlinsen,
fächelte mit der Hand im Wasser und wartete ab. Es dauerte
gar nicht lange und sie kam sehr interessiert näher und versuchte
in die Duschwanne zu gelangen. Da wohl der Abstand zum Boden etwas
zu groß war, gelang ihr das noch nicht alleine. Also hob ich
sie sachte etwas an und setzte sie rein. Man kann sich gar nicht
vorstellen wie sie sich im Wasser regelrecht suhlte, lediglich den
verletzten Flügel hielt sie noch still.
Anschließend war sie jedenfalls pitschnass, ich ebenfalls
- aber Spaß gemacht hatte es allen Beteiligten. Dieses Spielchen
wiederholte ich jetzt fast täglich bis ich den Eindruck hatte,
dass es ihr nicht mehr ausreicht. Nun kam die Badewanne an die Reihe,
mit Wasser befüllt so hoch wie möglich und Wasserlinsendekoration.
Sie schwamm, soweit es der Platz zuließ, sichtlich genüsslich
hin und her, tauchte dazwischen kurz den Kopf unter und bearbeitete
mit dem Schnabel ihr Gefieder. So verging die Zeit wie im Fluge
und unser Bad machte im wahrsten Sinne des Wortes seiner Bedeutung
als Nasszelle alle Ehre.
In all der Zeit die sie bei uns verbrachte, gewannen wir den Eindruck,
dass sie vielleicht nach ihrer vollständigen Genesung bei uns
bleiben könnte oder vielleicht sogar wollte. Ein Teich hinterm
Haus war ja vorhanden. Mittlerweile war das Frühjahr in den
Frühsommer übergegangen, ihr Flügel war wieder in
Ordnung und wir beschlossen sie langsam wieder an ein Leben unter
freiem Himmel zu gewöhnen.
Gesagt, getan. Mein Mann besorgte im Baumarkt das notwendige Material,
um das Gelände um unseren Teich einzuzäunen. Die Ente
war zwar zu 98 % wieder fit aber in unserer Gegend gab es Raubzeug
(Fuchs, Marder, fremde Hunde). Nach Fertigstellung des Zauns stellten
wir ihr stolz ihre neue "Unterkunft" vor. Sogleich wurde
der Teich bis in den letzten Winkel untersucht und anschließend
"durchpflügt". Wir hatten den Eindruck, dass sie
sich wohlfühlt, holten sie aber nachts vorsichtshalber wieder
ins Haus. Einige Tage ging das so gut, bis sie eines Morgens die
Flügel ausbreitete und mit Schwung über die Hecke unseres
Grundstücks auf das angrenzende Feld flog. Schnell liefen wir
zu ihr und holten sie zurück. Wir beobachteten sie weiter und
bemerkten, dass sie irgendwie sehnsüchtig immer wieder zum
Himmel und rundherum blickte.....
Uns kam der Gedanke, dass sie sich wohl doch nach ihrer ursprünglichen
Heimat und den Artgenossen sehnte. Schweren Herzens setzen wir uns
ins Auto, ich fuhr, mein Mann hielt die Ente auf dem Schoß.
Als wir uns der Teichanlage näherten, wo sie eigentlich zuhause
war, wurde sie schon sehr unruhig und war kaum noch zu halten. Aus
dem Auto raus raste sie regelrecht zum nächsten Teich, schwamm
zunächst eine große Runde und hielt Ausschau nach Artgenossen.
Zwischenzeitlich waren die anderen Enten aufmerksam geworden und
kamen stetig näher. Es folgte ein Geschnatter und Geflatter
- der reinste Freudentanz.
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