das Magazin vom Vogelnetzwerk


Ausgabe 2
Dezember 2001
 

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Lucky Duck - Gesellschaft beim Baden

erzählt von Susanne

"Halt den Hund fest!
Ich hab ne Ente im Auto
und bring sie jetzt rein!"

rief mir mein Ehemann von der Haustür aus zu.

So begann an einem Samstagmorgen im zeitigen Frühjahr vor vielen Jahren ein zunächst aufregendes aber letztendlich wunderbares Erlebnis.

Ich verstand nur Bahnhof, schnappte mir unseren Hund und schaute gespannt zur Tür. Gleich darauf kam mein Mann mit etwas in einer Decke eingehülltem herein und verschwand damit im Badezimmer. Jetzt wollte ich es aber wissen. Dem Hund gab ich seinen Knochen und verfrachtete ihn ins Wohnzimmer. Dann nix wie ab ins Bad. Dort kniete mein Mann auf dem Boden vor einem ziemlich in sich zusammengesunkenen Ententier.

Was war passiert?
Mein Mann wollte an diesem Morgen kurz zur Arbeit fahren, weil er am Vortag was vergessen hatte. Direkt an der Verbindungsstraße zu unserem damaligen Wohnort liegt eine Fischteichanlage mit drei Teichen. Hier hielten sich immer mehrere Enten auf. Als mein Mann in Höhe der Teichanlage vorbeifuhr, flog ihm plötzlich eine der Enten ins Auto (sowas geht ja immer so entsetzlich schnell). Er hielt sofort an, um nach der Ente zu sehen. Sie kauerte auf der Straße. Äußere Verletzungen waren nicht zu erkennen, aber sie bewegte sich nicht.

Kurzentschlossen packte er sie vorsichtig in eine Decke und fuhr auf direktem Weg zu einer uns bekannten Tierärztin. Diese diagnostizierte eine Gehirnerschütterung und einen gestauchten Flügel. Nach ein paar Stunden Ruhe könne die Ente wohl wieder an ihren Teich.

Da saßen wir, betrachteten das Häufchen Elend und überlegten was zu tun sei. Sofort beschlossen wir, die Ente so lange zu beherbergen, bis sie unseres Erachtens wieder hundertprozentig gesund sei. Schließlich, meinte mein Mann, habe er sie ja angefahren (wenn auch nicht absichtlich).

Er fuhr schließlich wieder los, um spezielles Entenfutter zu besorgen. In der Zwischenzeit richtete ich der Ente mit einem großen Badetuch ein "Nest" ein und stellte ihr eine große flache Schüssel mit Wasser hin. Danach ließ ich sie erst mal in Ruhe. Bis zum Abend schaute ich mehrmals vorsichtig nach, aber ihr Zustand hatte sich bis dahin nicht verändert. Mir fiel auf, dass die Augen wie blutunterlaufen wirkten. Ich machte mir jetzt doch ziemliche Sorgen. Damit sie wenigstens für die Nacht etwas Flüssigkeit aufnahm, flößte ich ihr mittels einer Pipette Wasser ein. Das meiste ging zwar daneben aber ich merkte, dass sie einen Teil schluckte.

Am Morgen saß sie immer noch regungslos da. Das bereitgestellte Futter war nicht berührt. Ich überlegte fieberhaft, wie ich ihr mehr Flüssigkeit und irgendwas Nahrhaftes beibringen könnte. Die - vielleicht rettende - Idee kam mir erst am Nachmittag. Wir hatten im Garten einen Naturteich, der bisher nur von verschiedenen Amphibien "bewohnt" wurde. Ein Teil des Teichs war bedeckt mit Wasserlinsen, der sogenannten "Entengrütze". Eine Schüssel voll davon holte ich rein und bot es ihr an. Sie stand zwar nicht auf, schien aber doch interessiert, streckte den Kopf etwas vor und berührte mit leicht geöffnetem Schnabel die "Grütze". Offensichtlich hatte der Anblick von etwas Vertrautem ihre Lebensgeister wieder geweckt.

So besserte sich ihr Zustand langsam aber stetig, endlich nahm sie Futter an und trank. Wir entschieden, sie zur weiteren Pflege in unserem Badezimmer zu lassen.
Hier war einfach die nötige Ruhe (insbesondere wegen unseres Hundes) und ihr Umfeld ließ sich am besten sauber halten. Wir hatten ja vorher keine Ahnung, welche Größenordnung die Ausscheidungen von Enten haben können. Naja, Hauptsache war, dass es ihr besser ging. Außer dem Entenfutter und den Wasserlinsen boten wir ihr noch frisch gerupftes Gras, eingeweichtes ausgedrücktes Brot sowie Salat inklusive Schnecken (das war die Idee meines Mannes).

Nach ungefähr einer Woche schaute sie erwartungsvoll hoch, wenn einer von uns das Bad betrat und watschelte schon etwas umher. Wir nannten sie Duck - ohne Donald, da Geschlecht unbekannt :-). Ehrlich gesagt, diese ungewöhnliche "Gesellschaft" beim Duschen oder Baden machte auch Spaß. In dieser Zeit verbrachte ich extrem lange Zeiten in der Wanne und beobachtete die Ente. Das mag verrückt klingen, aber dieses Beobachten vermittelte mir einen guten Überblick, wie es ihr ging und ob sie sich wohl fühlte. Eines Abends stellte sie doch tatsächlich Versuche an, in die Wanne zu kommen. Das verhinderte ich natürlich wegen des Seifenwassers und ließ dieses schnellstens ablaufen. Offenbar wollte sie jetzt doch so langsam mal wieder "Wasser unter die Füße" kriegen.

Zunächst versuchte ich es mit der Duschwanne. So hoch wie möglich ließ ich dort Wasser einlaufen, dekorierte es mit Wasserlinsen, fächelte mit der Hand im Wasser und wartete ab. Es dauerte gar nicht lange und sie kam sehr interessiert näher und versuchte in die Duschwanne zu gelangen. Da wohl der Abstand zum Boden etwas zu groß war, gelang ihr das noch nicht alleine. Also hob ich sie sachte etwas an und setzte sie rein. Man kann sich gar nicht vorstellen wie sie sich im Wasser regelrecht suhlte, lediglich den verletzten Flügel hielt sie noch still.

Anschließend war sie jedenfalls pitschnass, ich ebenfalls - aber Spaß gemacht hatte es allen Beteiligten. Dieses Spielchen wiederholte ich jetzt fast täglich bis ich den Eindruck hatte, dass es ihr nicht mehr ausreicht. Nun kam die Badewanne an die Reihe, mit Wasser befüllt so hoch wie möglich und Wasserlinsendekoration. Sie schwamm, soweit es der Platz zuließ, sichtlich genüsslich hin und her, tauchte dazwischen kurz den Kopf unter und bearbeitete mit dem Schnabel ihr Gefieder. So verging die Zeit wie im Fluge und unser Bad machte im wahrsten Sinne des Wortes seiner Bedeutung als Nasszelle alle Ehre.

In all der Zeit die sie bei uns verbrachte, gewannen wir den Eindruck, dass sie vielleicht nach ihrer vollständigen Genesung bei uns bleiben könnte oder vielleicht sogar wollte. Ein Teich hinterm Haus war ja vorhanden. Mittlerweile war das Frühjahr in den Frühsommer übergegangen, ihr Flügel war wieder in Ordnung und wir beschlossen sie langsam wieder an ein Leben unter freiem Himmel zu gewöhnen.
Gesagt, getan. Mein Mann besorgte im Baumarkt das notwendige Material, um das Gelände um unseren Teich einzuzäunen. Die Ente war zwar zu 98 % wieder fit aber in unserer Gegend gab es Raubzeug (Fuchs, Marder, fremde Hunde). Nach Fertigstellung des Zauns stellten wir ihr stolz ihre neue "Unterkunft" vor. Sogleich wurde der Teich bis in den letzten Winkel untersucht und anschließend "durchpflügt". Wir hatten den Eindruck, dass sie sich wohlfühlt, holten sie aber nachts vorsichtshalber wieder ins Haus. Einige Tage ging das so gut, bis sie eines Morgens die Flügel ausbreitete und mit Schwung über die Hecke unseres Grundstücks auf das angrenzende Feld flog. Schnell liefen wir zu ihr und holten sie zurück. Wir beobachteten sie weiter und bemerkten, dass sie irgendwie sehnsüchtig immer wieder zum Himmel und rundherum blickte.....

Uns kam der Gedanke, dass sie sich wohl doch nach ihrer ursprünglichen Heimat und den Artgenossen sehnte. Schweren Herzens setzen wir uns ins Auto, ich fuhr, mein Mann hielt die Ente auf dem Schoß. Als wir uns der Teichanlage näherten, wo sie eigentlich zuhause war, wurde sie schon sehr unruhig und war kaum noch zu halten. Aus dem Auto raus raste sie regelrecht zum nächsten Teich, schwamm zunächst eine große Runde und hielt Ausschau nach Artgenossen. Zwischenzeitlich waren die anderen Enten aufmerksam geworden und kamen stetig näher. Es folgte ein Geschnatter und Geflatter - der reinste Freudentanz.

Wir entfernten uns langsam, zwar mit der wohltuenden Erkenntnis, nun das richtige getan zu haben, aber mit Tränen in den Augen.
Viele Male besuchten wir die Teich-anlage, um nach "unserer Ente" zu sehen. Sie erkannte uns jedesmal sofort wieder, kam schnell angeschwommen und erwartete natürlich einen Leckerbissen von uns.
Nach dem nächsten Winter waren einige der Enten verschwunden, auch unser Pflegling. Was wohl aus ihnen geworden ist?
Möglicherweise hatten sie sich einen anderen Teich gesucht. Das hofften wir damals und hoffen es heute noch.

In den paar Wochen, die die Ente bei uns verbrachte, wurden wir natürlich nicht zu "Entenexperten". Sicher haben wir nicht alles richtig gemacht. Jedenfalls ist es uns Laien gelungen, ein verletztes Ententier erfolgreich gesundzupflegen und in sein Umfeld zurückzuführen. An dieses wunderbare Erlebnis denke ich heute noch oft und gerne, wenn auch etwas traurig.

Hinweis:
Bei der Ente handelte es sich wahrscheinlich um eine sogenannte Hausente,
genauer wohl um eine Kreuzung zwischen Hochbrutflugente und Zwergente.
 

 

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