|
|
Die
Geschichte von Rokko und Willi
Blaustirnamazonen - Amazona aestiva)
erzählt von Susanne
|
|
Mit dieser kurzen Erzählung versuche ich zu schildern,
was man bei der Haltung von
Papageien falsch machen kann. Zugleich
soll aber auch dargestellt werden, dass man
nach langer Zeit die vielleicht aus Unwissenheit begangenen
Fehler erfolgreich wieder
gutmachen kann
|
Rokko kam vor 21 Jahren als Jungvogel zu uns.
Mein Ehemann hatte ihn bei einer Züchterin in der Nähe
unseres ehemaligen Wohnortes als Geschenk für mich gekauft.
Natürlich verfügten wir nicht über
das notwendige Wissen und verließen uns voll und ganz
auf die Aussagen der Züchterin. Das war unser erster Fehler.
Unsere Frage z. B., ob man diesen |
|
Vogel auch
alleine halten könne, wurde mit JA be-antwortet.
Rokko ist keine Handaufzucht und war anfangs noch recht scheu.
Nach ein paar Tagen Eingewöhnung beschloss ich, die Käfigtür
zu öffnen, da wir nur einen relativ kleinen Käfig
hatten und er mir leid tat. Es dauerte weitere Tage bis er schließlich
erstmals vorsichtig herauskletterte. Sehr lange dauerte es,
bis er so nach und nach begann, auch fliegend die Wohnung zu
erkunden. Das lag wohl daran, dass seine Schwungfedern beschnitten
waren und erst wieder neu wachsen mussten.
Im Laufe
der Zeit wurde er - zumindest mir gegenüber - auch immer
zutraulicher, nahm Futter aus der Hand und ließ sich
anfassen. Nur eines wollte er absolut nicht: auf die Hand
oder den Arm steigen. Wir vermuteten, dass er irgendwie schlechte
Erfahrungen gemacht hatte, da auch an dem beringten Fuß
die nach hinten weisende Zehe gerade abstand, so als ob sie
vielleicht beim Ringanlegen verletzt (gebrochen) wurde. Wir
fragten wiederum die Züchterin. Sie wußte es nicht,
da die Ringe immer ihr Tierarzt anlegen würde. Es war
ebenfalls ein Versäumnis, dass wir der Sache nicht weiter
nachgingen.
Rokko dehnte
seine Wohnungsausflüge immer weiter aus, was wir auch sehr
begrüßten. Seine Käfigtür stand wie immer
offen; dadurch konnte er sich wann immer er wollte frei bewegen.
Das erwies sich als fatal, weil wir die möglichen Gefahren
nicht bedachten. Eines Abends - wir befanden uns in einem anderen
Zimmer - knallte es, alle Lichter gingen aus und Rokko schrie.
Er hatte ein Stromanschlusskabel durchgebissen. Gottseidank
war ihm dabei wie durch ein Wunder außer einem großen
Schrecken nichts passiert.
Ab diesem
Abend durfte er dann nur noch raus, wenn wir zuhause waren
und mindestens einer ihn im Auge behalten konnte. Wir besorgten
deswegen einen größeren Käfig. So vergingen
einige Jahre und wir waren glücklich und zufrieden -
wie wir heute wissen, Rokko wohl nicht so.
Eines Tages
fing er an, ungewöhnlich aggressiv zu werden, besonders
meinem Ehemann gegenüber - er attackierte ihn regelrecht.
Mir gegenüber hielt sich das glücklicherweise in
Grenzen. Wir konnten uns das damals nicht erklären. Heute
wissen wir, dass er wohl geschlechtsreif wurde. Manche Amazonen
ändern ja nach der Geschlechtsreife ganz gravierend ihr
Verhalten. So fanden wir uns damit ab. Mein Mann vermied es
ihm zu nahe zu kommen, vor allem während Rokkos Freiflugzeiten.
Nach weiteren
langen Jahren entschlossen wir uns aus persönlichen Gründen
zu einem Wohnort-wechsel und Hausbau. Wir nahmen uns fest
vor, nach Vollendung dieses Vorhabens einen Partner für
Rokko zu suchen. Wie das Leben manchmal so spielt, der Zufall
kam uns zuvor.
|
Willi kam von einem Arbeitskollegen meines Ehemanns zu uns.
Zunächst nur mehrmals zeitweise zur Urlaubsbetreuung. Heute
wissen wir, dass dieser Zustand für beide Vögel eine
immense Belastung war, da sie ja immer wieder getrennt wurden.
Willi ist ca. 18 Jahre alt und sehr aufgeschlossen und neugierig,
sehr lieb und anhänglich - allerdings nur mir gegenüber.
Mein Mann wird nicht geduldet. |
|
Rokko und
Willi verstanden sich bis auf ein paar anfängliche Raufereien
sehr gut und fingen schon bald an, sich vorsichtig am Kopf
zu kraulen. Trotz-dem kehrten beide zum Fressen und Schlafen
in ihren jeweils eigenen Käfig zurück. Das änderte
sich
erst später.
Bevor Willi
im Mai dieses Jahres wieder zu uns kam, war Rokko mir gegenüber
besonders lieb und anhänglich. Als Willi dann gebracht
wurde, "freuten" beide sich besonders lange und
lautstark. Als ich den beiden einen frischen Ast zum Knabbern
geben wollte, geschah das für mich bis dahin Unfassbare:
Rokko flog sofort in meine Richtung und attackierte mich absolut
aggressiv. Ich war total verstört, ratlos und verzweifelt.
Bis tief in die Nacht machte ich mir Gedanken, warum Rokko
sich plötzlich mir gegenüber so verhielt, kam aber
zu keinem Ergebnis.
Mein Mann
brachte mich auf die Idee, mal im Internet nachzusehen. So
kam ich zum Vogelnetzwerk und den Foren. Im Amazonenforum
bat ich um Hilfe, worauf umgehend kompetent aber auch mitfühlend
reagiert wurde. Ich schaffte es dank dieser Unterstützung,
dass sich im Verlauf des Sommers Rokkos Verhalten mir gegenüber
immer mehr dem vorherigen Zustand näherte.
Auch die
beiden Vögel kamen sich immer näher. Eines Abends
folgte Willi Rokko in dessen Käfig und beide ließen
sich das Futter gemeinsam schmecken. Anschließend putzten
sie sich gemeinsam das Gefieder und schliefen nebeneinander
sitzend ein. Ab diesem Moment war mir klar, dass die beiden
zusammengehören, zumal ich in der Zwischenzeit erfahren
konnte, dass es meistens sehr schwierig ist, zwei Vögel
zusammenzubringen und mehrerer Ver-suche bedarf. Ich beschloss,
Willi nicht mehr herzugeben, koste es was es wolle. Nach einer
mir ewig vorkommenden ungewissen Zeit stand es dann fest:
Willi durfte bleiben.
|
Wir
planten sogleich die Anschaffung einer großen Zimmervoliere,
da Rokkos Käfig alleine keine Dauerlösung sein konnte.
Der "Umzug" in diese Voliere erfolgte Ende September
und war mit keinerlei Problemen verbunden. |
Beide fühlten sich sofort darin zuhause.Natürlich
bekommen sie nach wie vor jeden Tag die Möglichkeit zum
Freiflug.
|
|
|
Rokko
und Willi fühlen sich heute auf jeden Fall sehr wohl,
man sieht und merkt es ihnen an. Rokko folgt Willi überall
hin und lässt ihn nicht aus den Augen. Es würde
niemanden mehr gelingen, die beiden zu trennen - Rokko würde
das mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern.
Wir
sind froh, dass die beiden trotz unserer Fehler aus der Vergangenheit
offensichtlich keinen größeren Schaden genommen
haben.
Ich
persönlich bitte jeden, der vielleicht mit dem Gedanken
spielt, einen Krummschnabel halten zu wollen oder zu verschenken:
Vor
der Anschaffung über die Haltung von Papageien und Sittichen
informieren. Heutzutage hat man dazu über das Internet
die besten Möglichkeiten.
Nur
aus Nachzuchten bei einem von Vogelfreunden empfohlenen Züchter
kaufen - und dann auch gleich mindestens zwei Vögel.
Sollen die
Vögel in der Wohnung gehalten werden, möglichst
vor dem "Einzug" der Vögel auch schon
eine große Zimmervoliere bereitstellen oder ein Vogelzimmer
einrichten, damit sie erst gar nicht in
einen zu kleinen Käfig müssen. Im normalen Zoohandel
bekommt man einfach keine, die groß genug sind. Dafür
muss man sich schon an einen Volierenbauer wenden.
An alle,
die das hier vielleicht lesen und bereits einen Papagei oder
Sittich alleine halten:
Nehmen Sie sich bitte meine Erzählung zu Herzen und streben
Sie für den Vogel eine Veränderung an. Auch wenn
Sie es momentan nicht so empfinden, weil Ihr Vogel vielleicht
zahm ist und nachahmt (spricht) und sie denken, dass er sich
wohlfühlt.
Wir Menschen können diesen Tieren nie den Artgenossen
ersetzen und wir sind meistens nicht in der Lage, dem Vogel
die Einsamkeit und Trauer anzusehen.
|
|
|
Man
kann so unglaublich
viel falsch machen.
Wenn man es irgendwann
aber besser weiß,
sollte man es auch
besser machen.
|
|
|