das Magazin vom Vogelnetzwerk


Ausgabe 1
November 2001
 

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Rokko und Willi
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Die Geschichte von Rokko und Willi
Blaustirnamazonen - Amazona aestiva)
erzählt von Susanne


Mit dieser kurzen Erzählung versuche ich zu schildern, was man bei der Haltung von
Papageien falsch machen kann. Zugleich
soll aber auch dargestellt werden, dass man
nach langer Zeit die vielleicht aus Unwissenheit begangenen Fehler erfolgreich wieder
gutmachen kann


Rokko
kam vor 21 Jahren als Jungvogel zu uns.
Mein Ehemann hatte ihn bei einer Züchterin in der Nähe unseres ehemaligen Wohnortes als Geschenk für mich gekauft. Natürlich verfügten wir nicht über
das notwendige Wissen und verließen uns voll und ganz auf die Aussagen der Züchterin. Das war unser erster Fehler. Unsere Frage z. B., ob man diesen
Vogel auch alleine halten könne, wurde mit JA be-antwortet.

Rokko ist keine Handaufzucht und war anfangs noch recht scheu. Nach ein paar Tagen Eingewöhnung beschloss ich, die Käfigtür zu öffnen, da wir nur einen relativ kleinen Käfig hatten und er mir leid tat. Es dauerte weitere Tage bis er schließlich erstmals vorsichtig herauskletterte. Sehr lange dauerte es, bis er so nach und nach begann, auch fliegend die Wohnung zu erkunden. Das lag wohl daran, dass seine Schwungfedern beschnitten waren und erst wieder neu wachsen mussten.

Im Laufe der Zeit wurde er - zumindest mir gegenüber - auch immer zutraulicher, nahm Futter aus der Hand und ließ sich anfassen. Nur eines wollte er absolut nicht: auf die Hand oder den Arm steigen. Wir vermuteten, dass er irgendwie schlechte Erfahrungen gemacht hatte, da auch an dem beringten Fuß die nach hinten weisende Zehe gerade abstand, so als ob sie vielleicht beim Ringanlegen verletzt (gebrochen) wurde. Wir fragten wiederum die Züchterin. Sie wußte es nicht, da die Ringe immer ihr Tierarzt anlegen würde. Es war ebenfalls ein Versäumnis, dass wir der Sache nicht weiter nachgingen.

Rokko dehnte seine Wohnungsausflüge immer weiter aus, was wir auch sehr begrüßten. Seine Käfigtür stand wie immer offen; dadurch konnte er sich wann immer er wollte frei bewegen. Das erwies sich als fatal, weil wir die möglichen Gefahren nicht bedachten. Eines Abends - wir befanden uns in einem anderen Zimmer - knallte es, alle Lichter gingen aus und Rokko schrie. Er hatte ein Stromanschlusskabel durchgebissen. Gottseidank war ihm dabei wie durch ein Wunder außer einem großen Schrecken nichts passiert.

Ab diesem Abend durfte er dann nur noch raus, wenn wir zuhause waren und mindestens einer ihn im Auge behalten konnte. Wir besorgten deswegen einen größeren Käfig. So vergingen einige Jahre und wir waren glücklich und zufrieden - wie wir heute wissen, Rokko wohl nicht so.

Eines Tages fing er an, ungewöhnlich aggressiv zu werden, besonders meinem Ehemann gegenüber - er attackierte ihn regelrecht. Mir gegenüber hielt sich das glücklicherweise in Grenzen. Wir konnten uns das damals nicht erklären. Heute wissen wir, dass er wohl geschlechtsreif wurde. Manche Amazonen ändern ja nach der Geschlechtsreife ganz gravierend ihr Verhalten. So fanden wir uns damit ab. Mein Mann vermied es ihm zu nahe zu kommen, vor allem während Rokkos Freiflugzeiten.

Nach weiteren langen Jahren entschlossen wir uns aus persönlichen Gründen zu einem Wohnort-wechsel und Hausbau. Wir nahmen uns fest vor, nach Vollendung dieses Vorhabens einen Partner für Rokko zu suchen. Wie das Leben manchmal so spielt, der Zufall kam uns zuvor.


Willi
kam von einem Arbeitskollegen meines Ehemanns zu uns. Zunächst nur mehrmals zeitweise zur Urlaubsbetreuung. Heute wissen wir, dass dieser Zustand für beide Vögel eine immense Belastung war, da sie ja immer wieder getrennt wurden.
Willi ist ca. 18 Jahre alt und sehr aufgeschlossen und neugierig, sehr lieb und anhänglich - allerdings nur mir gegenüber. Mein Mann wird nicht geduldet.

Rokko und Willi verstanden sich bis auf ein paar anfängliche Raufereien sehr gut und fingen schon bald an, sich vorsichtig am Kopf zu kraulen. Trotz-dem kehrten beide zum Fressen und Schlafen in ihren jeweils eigenen Käfig zurück. Das änderte sich
erst später.

Bevor Willi im Mai dieses Jahres wieder zu uns kam, war Rokko mir gegenüber besonders lieb und anhänglich. Als Willi dann gebracht wurde, "freuten" beide sich besonders lange und lautstark. Als ich den beiden einen frischen Ast zum Knabbern geben wollte, geschah das für mich bis dahin Unfassbare: Rokko flog sofort in meine Richtung und attackierte mich absolut aggressiv. Ich war total verstört, ratlos und verzweifelt. Bis tief in die Nacht machte ich mir Gedanken, warum Rokko sich plötzlich mir gegenüber so verhielt, kam aber zu keinem Ergebnis.

Mein Mann brachte mich auf die Idee, mal im Internet nachzusehen. So kam ich zum Vogelnetzwerk und den Foren. Im Amazonenforum bat ich um Hilfe, worauf umgehend kompetent aber auch mitfühlend reagiert wurde. Ich schaffte es dank dieser Unterstützung, dass sich im Verlauf des Sommers Rokkos Verhalten mir gegenüber immer mehr dem vorherigen Zustand näherte.

Auch die beiden Vögel kamen sich immer näher. Eines Abends folgte Willi Rokko in dessen Käfig und beide ließen sich das Futter gemeinsam schmecken. Anschließend putzten sie sich gemeinsam das Gefieder und schliefen nebeneinander sitzend ein. Ab diesem Moment war mir klar, dass die beiden zusammengehören, zumal ich in der Zwischenzeit erfahren konnte, dass es meistens sehr schwierig ist, zwei Vögel zusammenzubringen und mehrerer Ver-suche bedarf. Ich beschloss, Willi nicht mehr herzugeben, koste es was es wolle. Nach einer mir ewig vorkommenden ungewissen Zeit stand es dann fest: Willi durfte bleiben.


Wir planten sogleich die Anschaffung einer großen Zimmervoliere, da Rokkos Käfig alleine keine Dauerlösung sein konnte. Der "Umzug" in diese Voliere erfolgte Ende September und war mit keinerlei Problemen verbunden.


Beide fühlten sich sofort darin zuhause.Natürlich bekommen sie nach wie vor jeden Tag die Möglichkeit zum Freiflug.


Rokko und Willi fühlen sich heute auf jeden Fall sehr wohl, man sieht und merkt es ihnen an. Rokko folgt Willi überall hin und lässt ihn nicht aus den Augen. Es würde niemanden mehr gelingen, die beiden zu trennen - Rokko würde das mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern.

Wir sind froh, dass die beiden trotz unserer Fehler aus der Vergangenheit offensichtlich keinen größeren Schaden genommen haben.

Ich persönlich bitte jeden, der vielleicht mit dem Gedanken spielt, einen Krummschnabel halten zu wollen oder zu verschenken:

Vor der Anschaffung über die Haltung von Papageien und Sittichen informieren. Heutzutage hat man dazu über das Internet die besten Möglichkeiten.

Nur aus Nachzuchten bei einem von Vogelfreunden empfohlenen Züchter kaufen - und dann auch gleich mindestens zwei Vögel.

Sollen die Vögel in der Wohnung gehalten werden, möglichst vor dem "Einzug" der Vögel auch schon eine große Zimmervoliere bereitstellen oder ein Vogelzimmer einrichten, damit sie erst gar nicht in einen zu kleinen Käfig müssen. Im normalen Zoohandel bekommt man einfach keine, die groß genug sind. Dafür muss man sich schon an einen Volierenbauer wenden.

An alle, die das hier vielleicht lesen und bereits einen Papagei oder Sittich alleine halten:

Nehmen Sie sich bitte meine Erzählung zu Herzen und streben Sie für den Vogel eine Veränderung an. Auch wenn Sie es momentan nicht so empfinden, weil Ihr Vogel vielleicht zahm ist und nachahmt (spricht) und sie denken, dass er sich wohlfühlt.
Wir Menschen können diesen Tieren nie den Artgenossen ersetzen und wir sind meistens nicht in der Lage, dem Vogel die Einsamkeit und Trauer anzusehen.

 
 

Man kann so unglaublich
viel falsch machen.
Wenn man es irgendwann
aber besser weiß,
sollte man es auch
besser machen.



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