Zur Gruppenhaltung von Graupapageien
- Überlegungen und Erfahrungen -
von Rüdiger Stehn
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"Plötzlich war die Luft von
einem Rauschen erfüllt.
Alsbald flog ein ganzer Schwarm, es mögen einige
hundert Graupapageien gewesen sein, aus dem
Gebüsch linker Hand der Beobachtungsplattform auf
und machte einen Kreis, um dann wieder hinter den
etwas hervorstehenden Bäumen zu verschwinden."
(Lars Lepperhoff ,Wo
Graupapageien fliegen, WP-Magazin Nr.5, September/Oktober 2003)
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Bilder wie diese mögen es sein, die manchen von einer Gruppenhaltung
von Graupapageien träumen lassen. Andere kamen unbeabsichtigt
zu drei, vier, sechs, acht oder mehr Graupapageien - fehlgeschlagene
Verpaarungsversuche, abgegebene Vögel, die "Befreiung"
aus schlechter Haltung. Bei vielen ist die Gruppenhaltung unfreiwillig
aus Platzmangel das gewählte Haltungssystem.
Und einige wenige haben sich bewusst dazu entschlossen, da sie
in der Gruppenhaltung die angemessene, die artgerechte, die dem
natürlichen Leben der Vögel entsprechende Form der Haltung
in Menschenobhut sehen.
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Papageien als soziale Wesen
Tatsächlich lebt die Mehrheit der Papageienarten dauerhaft
in Sozialverbänden (Paare, Gruppen, Schwärme) zusammen.
Doch können die Unterschiede zwischen den einzelnen Arten beträchtlich
sein.
Welche Form von Sozialverbänden sich bei den einzelnen Arten
entwickelt hat, hängt eng von den sie umgebenden Umweltfaktoren
ab, wie z.B. dem Nahrungsangebot und dem Klima. Ohne eine allgemeingültige
Regel aufstellen zu wollen kann man tendenziell beobachten, dass
sich nomadisierend lebende Arten aus Trockengebieten (Steppen und
Halbwüsten) häufiger zu großen Schwärmen von
hunderten oder gar tausenden Individuen zusammenschließen.
Bei vielen Arten bleiben die Vögel auch während der Brutzeit
zusammen und in einigen Fällen werden sogar Brutkolonien gebildet.
Bei den Arten aus Trockengebieten finden sich aufgrund des jahreszeitlich
wechselnden Nahrungsangebotes zwar häufiger Nahrungsgeneralisten,
diese gibt es jedoch auch bei den
tropischen und subtropischen, vor allem in den in (Regen-)Wäldern
beheimateten Arten:
Sie sind meist standorttreuer und bilden häufiger kleinere
Gruppen mit nur wenigen Individuen oder auch nur Familienverbände
von vier bis zehn Vögeln. Die Paare sondern sich oft während
der Balz- und Brutzeit von dem Rest der Gruppe ab und bilden Brutreviere
mit der Bruthöhle als Mittelpunkt.
Bei den Nahrungsgeneralisten sind diese Reviere im Verhältnis
meist kleiner und benachbart, so dass sie ihrerseits geschlossene
Territorien bilden können. Bei den Nahrungsspezialisten dagegen
sind die Reviere zumeist größer und liegen oftmals weit
auseinander.
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Sozialverbände bei Graupapageien
Graupapageien werden mehrheitlich zu den Nahrungsgeneralisten gezählt.
Ihr Lebensraum sind Wälder, aber auch savannenartiges Waldland
und offenere Landschaften, sofern sich dort Nahrung findet.
Während der Brutzeit leben sie paarweise zusammen und besetzen
Brutreviere, die auch gegen Artgenossen verteidigt werden. Diese
Reviere sind nicht sonderlich groß: Sie brüten in unmittelbarer
Nachbarschaft, jedoch nur ein Paar pro Brutbaum (mir ist nur eine
Freiland-beobachtung bekannt, bei der zwei Bruthöhlen in einem
Baum entdeckt wurden).
Nach dem Ausfliegen der Jungen kehren sie in den Schwarm zurück.
Ungeklärt bleibt die Frage, ob und wie lange innerhalb des
Schwarmes die Vögel als Familienverbände weiter zusammen
bleiben oder aber die nicht geschlechtsreifen Jungtiere, wie es
bei anderen Papageienarten beobachtet wurde, sich zu "Junggesellenverbänden"
zusammenschließen.
Ein Graupapageienschwarm kann mehrere hundert Individuen umfassen.
Gemeinsam werden die Schlafplätze aufgesucht und übernachtet,
am Morgen dann wird in einzelnen kleineren Gruppen zu den Nahrungsplätzen
aufgebrochen, an denen sich dann wieder Schwärme bilden können.
Hier wurde immer wieder beobachtet, wie sich von den fressenden
Vögeln einzelne Gruppen lösen, auffliegen und auf benachbarten
Bäumen landen , um wenig später zum Fressen zurückzukehren.
Auch hier ist wieder ungeklärt, inwieweit es sich dabei um
feste oder um zufällig entstehende Gruppen handelt. Es mag
sich dabei um ein Warnsystem handeln, bei dem die auffliegenden
Vögel die Umgebung nach Beutegreifern inspizieren.
Eine andere Methode haben Kakadus entwickelt, bei denen einzelne
Individuen als Wächter fungieren, die die fressende Gruppe
bei Gefahr warnen. Eine solche Funktionszuweisung lässt auf
eine komplexe Gruppenstruktur schließen.
Die Zuweisung bestimmter Aufgaben in einer Gruppe ist bei Graupapageien
noch nicht beobachtet worden. Das heißt allerdings nicht,
dass es sie nicht gibt, denn Freiland-beobachtungen von Graupapageien
sind wesentlich seltener als von Kakadus.
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Vor- und Nachteile des Zusammenlebens
in einer Gruppe
Deutlich wird hier einer der wesentlichen Vorteile des Lebens in
einem größeren Sozialverband: Das Individuum hat einen
besseren Schutz vor Beutegreifern. Zudem können Nahrungsgebiete
leichter aufgefunden, besetzt und vor Nahrungskonkurrenten geschützt
werden.
Die Nachteile bestehen vor allem in der größeren Konkurrenz,
in den Auseinandersetzungen um Nahrung, Schlafplätze, Nistplätze
oder Brutpartner.
Es ist biologisch für das Individuum nicht sinnvoll, zuviel
Zeit und Energie durch soziale Auseinandersetzungen zu verbrauchen
und zu einer dauernden Kampf- und Abwehrbereitschaft gezwungen zu
sein. Und gerade bei Arten, die über eine gefährliche
Waffe wie den Papageienschnabel verfügen, können Ernstkämpfe
zu hohen Verlusten führen.
Damit dieser Nachteil den Vorteil nicht überwiegt, sind soziale
Auseinandersetzungen bei Graupapageien hochritualisiert. Um Ernstkämpfe
mit Verletzungen und Tod zu vermeiden, haben agonistische Verhaltensweisen
oft nur noch den Charakter eines Intentionsverhaltens, bei dem die
Aggression nur noch in einem anzeigenden Drohverhalten sichtbar
wird.
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Ausdrucksverhalten
Graupapageien haben wie andere Papageienarten auch ein akustisches
und optisches Aus-drucksverhalten zur Kommunikation mit ihren Artgenossen
entwickelt. Sie scheinen dabei zwar nur über vergleichsweise
wenige und gering differenzierte Naturlaute zu verfügen, doch
ein großer Teil der stimmlichen Äußerungen auch
frei lebender Graupapageien beruht auf Nachahmung, die ebenfalls
zur innerartlichen Kommunikation eingesetzt wird.
Darüber hinaus haben Graupapageien auch ein Repertoire an
mechanisch erzeugtem akustischem Ausdrucksverhalten: Bekannt ist
das Knarren und Knirschen mit dem Schnabel, das den Artgenossen
signalisiert, dass keine Gefahr droht. Ebenfalls oft beobachtet
wird das Klopfen mit dem Schnabel auf einen Gegenstand, das je nach
Situation als Imponier-, aber auch Drohverhalten interpretiert wird.
Bei dem optischen Ausdrucksverhalten unterscheidet man zwischen
den mimischen Verhalten im Bereich des Kopfes: das Spreizen des
Nackengefieders, das Verengen und Vergrößern der Pupillen
in Erregungssituationen, das Verstecken des Schnabels durch das
Aufplustern des Kopfgefieders; und dem gestischen Ausdrucksverhalten,
welches sich in den Bewegungen und Veränderungen am Rumpf,
an den Extremitäten und am Schwanz zeigt.
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Rangordnungen
Eine andere Möglichkeit, innerartliche Aggression zu reduzieren,
ist die Festlegung von Rang-ordnungen, zumindest aber das persönliche
Kennen und Erkennen der anderen Individuen in einer Gruppe. Es ist
unwahrscheinlich, dass sich alle Graupapageien in einem mehrere
hundert Individuen umfassenden Schwarm kennen. Wahrscheinlicher
ist, dass sich die Individuen in kleineren Gruppen wie den Familienverbänden
untereinander kennen.
Ohne einen wissenschaftlichen Beweis vorbringen zu können
gehe ich davon aus, dass sich auch die Graupapageien in den Kleingruppen,
die man üblicherweise bei der Haltung in menschlicher Obhut
findet, persönlich kennen.
Bei einigen Papageienarten sind Rangordnungen auch in frei lebenden
Populationen beobachtet worden. Bei Graupapageien dagegen kennt
man sie bislang nur aus Gefangenschafts-beobachtungen, d.h. sie
müssen sich nicht automatisch auch in frei lebenden Populationen
finden, sondern können als eine Verhaltensmodifikation zur
Anpassungen an die Bedingungen der Haltung in Menschenobhut sein,
die vor allem aufgrund der räumlichen Enge erforderlich ist.
Eine Rangordnung kann dabei die Form des aggressiven Verhaltens
der Gruppenmitglieder untereinander regeln: So wurde beobachtet,
dass ein ranghöheres Individuum gegenüber einem in der
Rangordnung weit unter ihm stehenden Vogel nur ein Drohverhalten
zeigt. Aggressivere Auseinandersetzungen mit Körperkontakt
finden sich dagegen vor allem in der Paarbeziehung bzw. zwischen
in der Rangordnung nahe stehenden Vögeln.
Über die genaue Struktur einer Rangordnung auch in der Gefangenschaft
weiß man noch recht wenig:
Einige Beobachtungen sprechen für einen eher hierarchisch-pyramidalen
Aufbau, bei dem ein Alpha-Tier als "Boss" an der Spitze
steht, vergleichbar mit der Hackordnung bei Hühnern.
Andere Beobachtungen sprechen mehr für ein komplexeres Beziehungsgeflecht
mit einer nicht-linearen Dominanzhierarchie, bei der es keine eindeutige
und dauerhafte Über- und Unterordnung gibt, sondern diese von
den jeweiligen konkreten Situationen abhängig ist: In einer
Konfliktsituation erweist sich ein Vogel als überlegen, der
aber in einer anderen Situation unterlegen sein kann.
Möglicherweise hängt die Art der Rangordnung von der Anzahl
der Individuen in einer Gruppe sowie dem zur Verfügung stehenden
Raum ab. Möglich ist, dass eine komplexere nicht-lineare Struktur
sich eher bei einer etwas größeren Anzahl von Individuen
entwickelt, dass dagegen bei weniger Individuen oder auf sehr engem
Raum eine lineare Hierarchie entsteht.
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Hier wird klargestellt, wer zuerst wählen
darf
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Dennoch kommen alle zu ihrem Recht
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Ich selbst kann bei meinen vier Graupapageien eindeutig ein männliches
Alpha-Tier ausmachen, dem alle anderen Vögel weitgehend unabhängig
von der Situation unterlegen sind. Danach folgt in der Rangordnung
das Männchen Charlie, das gegenüber dem Weibchen Elli
dominant ist. Diese wiederum ist dem Weibchen Henry überlegen.
Henry jedoch zeigt sich in bestimmten Situationen gegenüber
Charlie dominant.
Mit diesen Bemerkungen zur Rangordnung sind wir nun vom Freileben
zur Haltung in Menschenobhut gelangt.
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