Mein
Praktikum im Vogelpark Walsrode
von Daniela Walch |
Vogelpark Walsrode, Juli bis August 2001, Klein-Daniela 900
km von zu Hause weg
und ganz allein. *snief* (Nee, nur'n Scherz, tat gut :-) )
Den Praktikumsplatz "ergattert" habe ich durch eine
kleine e-mail Anfrage. Praktikanten in Walsrode sollten mindestens
einen Monat zur Verfügung stehen. Um Kost und Logis muss
man sich selber kümmern, dafür wird gewährleistet,
dass man alle Abteilungen durchläuft. Natürlich wird
auch Eigeninitative erwartet - ich hab nach einer Zeit selber
angefragt, ob ich nicht in diese oder jene Abteilung reinschnuppern
kann. Und den Tierpflegern zeitweise Löcher in den Bauch
gefragt. Wie überall schenkt einem auch hier niemand etwas
- aber wer interessiert und engagiert ist, der kann eine ganze
Menge mit nach Hause nehmen. Und ich war hochmotiviert! Mit
einigen Fotos dazwischen erzähle ich euch über die
Arbeit in einem Vogelpark.
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1. Futterzubereitung und Kükenaufzucht
Futterzubereitung
In der großen Futterküche bereiten morgens ab 6:30
Tierpfleger aller Abteilungen sowie gegebenenfalls Aushilfen,
das Futter für die Tiere vor. Ziemlich wichtig bei so vielen
helfenden Händen: die Beachtung der Hygienestandards. Konkret
heißt das z. B., dass man sich die Hände wäscht,
bevor man anfängt zu arbeiten. Nach jedem Toilettenbesuch
werden die Hände mit einem milden Desinfektionsmittel gewaschen;
denn Fäkalkeime am Futter der Tiere können gesundheitsgefährdend
sein.
Man unterscheidet Vögel, und auch Tiere allgemein, nach
der Art ihres Fressverhaltens. Grob wird unterscheiden nach Herbivoren
(Pflanzenfressern), Karnivoren (Fleischfressern) und Omnivoren
(Allesfressern). Diese Unterteilung ist aber für die praktische
Arbeit in einem Zoo zu grob. Deshalb unterteilt man die Tiere
weiter in Fructivoren, Insectivoren, Körnerfresser, Fisch-
od. Fleischesser, ...
Für jede Gruppe braucht man spezielles Futter. Zudem muss
die Größe der Tiere beachtet werden
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Tierpfleger mischen das Futter in großen Schüsseln
an
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Aus der anderen Perspektive erkennt man die roten Silos, in denen
die Körner aufbewahrt werden |
Praktische Beispiele:
Für die Obstfresser wird morgens Obst geschnipselt. Dabei
gibt es zwei Größen: grob und fein. Das Obst schneidet
man aus folgendem Grund klein. Die meisten Vögel, für
die es gedacht sind, nehmen in ihrer tropischen Heimat Beeren
zu sich. Würde man ihnen einen Apfel oder sonstiges Obst
hinlegen, würden sie vor gedeckten Tellern verhungern,
da solch ein Essen nicht ihr Fressschema passt. Deshalb schneidet
man die Früchte auf die passende Größe zurecht.
Dabei wird alles verwertet, was die Saison oder Supermärkte
hergeben: Ananas, Apfel, Weintrauben, Orangen, Bananen, Kiwis
usw.
Für die Fleischfresser werden hauptsächlich Küken
verwendet, aber auch Ratten und Vögel die im Park gestorben
sind. Die (männlichen) Küken stammen aus der Hühnerproduktion,
es sind aussortierte sog. Eintagsküken. Je nach Konsument
werden die Küken verarbeitet. Eulen z. B. können die
Küken im Ganzen verdauen. Das Fell wird als sogenanntes Gewölle
wieder ausgewürgt. Andere Vögel können die Federn
nicht verdauen oder auswürgen, z. B. weil ihre Nahrung ansonsten
hauptsächlich aus Eidechsen oder Schlangen besteht. Für
diese Vögel wird die Haut der Küken abgezogen. Ein Teil
der Küken wird verkleinert und durch den Fleischwolf gedreht.
Die entstehende Fleischpampe wird einigen Arten untergemischt.
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Eklig, aber notwendig: Tote Kueken warten
auf ihre "Verarbeitung". Aushilfen und Praktikanten wie
ich werden nicht gezwungen, die Küken zu zerschneiden, ich
durfte das Obst schnippeln. Es war wirklich eklig, die Verarbeitung
der Küken mit anzusehen; aber das ist die Natur. |
Einrichtung von Gehegen
Die Einrichtung der Gehege soll am Beispiel des Lori-Atriums
erklärt werden. Im Lori-Atrium sind Loris und einige Sittiche
untergebracht.
Die Gehege bestehen aus zwei Teilen. Der Boden unter den Futter-
und Wasserstellen und den Höhlen besteht aus blankem Beton
mit einem Abflussrohr. So kann dieser Teil leicht saubergehalten
und einmal in der Woche desinfiziert werden. Das ist wichtig bei
einer Futterstelle.
Der andere Teil ist den Besuchern zugewandt. Der Bodenbelag besteht
bei den Loris aus Kieselsteinen, bei den Sittichen aus Sand. Dieser
Unterschied liegt in den Ausscheidungen der Tiere begründet.
Loris haben einen sehr dünnflüssigen Kot, der aus ihrer
flüssigen Nahrung (Lori-Suppe) resultiert. Diese Ausscheidungen
können morgens einfach mit einem Wasserschlauch von den Steinen
gespritzt werden. Sittiche haben dagegen einen mehr oder wenigen
festen Kot. Ihre Ausscheidungen verbinden sich mit dem Sand zu
festen Klumpen, der weggeharkt wird.
In den Gehegen sind Kletterbäume und Sitzstangen vorhanden.
Jede Woche werden zudem frische Zweige von Birken, Eichen oder
anderen Bäumen in speziellen Halterungen befestigt. Die kleinen
Papageien haben so neue Klettermöglichkeiten und sie genießen
es, die Blätter abzuknabbern.
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Aufgrund des dünflüssigen Fäzes der Loris
ist der Boden ihrer Gehege mit einfach sauber zu haltenden Steinen
belegt
Die Loris im Park waren nicht nur ohrenbetäubend laut, sondern
meist auch sehr frech und vorwitzig. Dieser hier schien mich immer
von der Arbeit abhalten zu wollen - oder sich sehr für Putzmittel
zu interessieren *g*
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Und dieser Erzlori war auch so ein Spezialist.
Zuerst hatte ich Angst vor ihm, da er immer nach mir geschnappt
hat. Einmal hatte ich nicht aufgepasst, und er hat in meinen Finger
gebissen. Ich bin total erschrocken und wollt ihm den Finger entreissen
--- den Rest kann sich jeder Lorihalter wahrscheinlich denken ...
Der Erzlori hat sich total verbissen gehabt; aua aua aua. Nachher
hat mir Tierpfleger Frank aber erklärt, dass Loris gerne mit
der Zunge befühlen, und er nur aus Schreck zugebissen hat.
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Es hat mich am nächsten Tag einiges an Überwindung
gekostet - vor allem nach der schmerzhaften Erfahrung - aber ich
hab ihm meinen Finger zum "Ablecken" hingehalten. Und
seitdem mag ich Loris!!! Und hab mich schon jeden Tag dieser Woche
auf den Besuch in diesem Gehege gefreut! :-) |
Künstliche Aufzucht
Sinn und Zweck der künstlichen Aufzucht
Es gibt mehrere Gründe, Jungvögel künstlich aufzuziehen.
Manche Vogeleltern brüten sehr unzuverlässig. In einem
solchen Fall kommen die Eier des Paares in eine Brutmaschine.
Wenn anzunehmen ist, dass sich die Eltern zuverlässig um
die Brut kümmern, werden ihnen die ausgeschlüpften Jungvögel
wieder untergelegt. Aber manche Vögel sind nicht in der Lage,
sich selber um ihren Nachwuchs zu kümmern; würden ihn
hungern lassen, piesacken oder im Extremfall totbeissen. Mit solchen
Reaktionen muss gerade in einem Zoo immer gerechnet werden. Manchmal
hat das Jungtier Glück und bekommt liebevolle Pflegeeltern.
So zieht im Vogelpark Walsrode ein Weißstorchpaar einen
jungen Klunkerkranich auf. Dieser wird bald größer
als seine Zieheltern sein, was diese aber nicht stört. Und
für ein kleines Mandschurenkranichjunges fand sich gleich
im Nachbargehege Adoptiveltern. Die dort lebenden Kronenkraniche
gelten als sehr zuverlässige und liebevolle Eltern, die jedes
Jahr erfolgreich eine Brut aufziehen. Dieses Jahr hatten sie aber
nur unbefruchtete Eier gelegt. So kümmern sie sich nun um
den kleinen Mandschurenkranich. Von den Besuchern übrigens
fast unbemerkt, denn alle Kranichjungen sehen sich in ihren braunen
Daunenkleidern mehr oder weniger zum Verwechseln ähnlich.
Doch oft sind solche glücklichen Zufälle nicht. In
diesen Fällen bemüht man sich um die Jungvögel
in der Auf-zuchtstation. Im Vogelpark Walsrode gibt es gleich
drei dieser Stationen. Die gläserne Aufzucht, die Aufzuchtstation
und der Kindergarten für die größeren
Jungvögel.
Aufgezogen werden auch solche Tiere, die besonders wertvoll oder
selten sind. Hier möchte man von vorneherein das Risiko eines
Brutfehlschlages verringern. Dies ist für mich in gewissen
Situationen einsehbar. Ein Beispiel: Im Park lebt ein Pärchen
der extrem seltenen Soccoro-Tauben, von denen es weltweit nur
noch 14 Vögel gibt. Würde dieses Paar ein Ei legen,
wäre es unverantwortlich, das Jungtier nicht von Hand zuverlässigst
groß-zuziehen. Die ökologische Vielfalt der bedrohten
Art hängt in solchen Fällen von jedem neuen Vogel ab.
Aber ich finde es bedenklich und zumindest diskussionswürdig,
wenn man Brutpaaren Eier zur künstlichen Aufzucht wegnimmt,
nur weil die Vögel sehr viel wert sind. Mir ist jedoch klar,
dass auch ein Zoo sein Kapital nicht ver-nachlässigen kann,
und das sind nun einmal die Tiere. Ebenfalls umstritten ist die
Handaufzucht zu dem Zweck, den Vogel handzahm zu machen. Diese
Praxis wird heute aber aufs Schärfste verurteilt.
Jungvögel im Vogelpark Walsrode
In der neugegründeten gläsernen Aufzucht
können die Besucher, nur durch eine Glasscheibe von den Tieren
getrennt, den Prozess des Aufwachsens hautnah miterleben. Hier
werden vor allem stabile, unproblematische Tiere aufgezogen. Zum
Zeitpunkt meines Aufenthaltes wurden hier, neben verschiedenen
Wachtel- und Hühner-küken, auch Amazonen, ein Ara, ein
Malaienkauz und ein männlicher Andenkondor aufgezogen.
In der Aufzuchtstation hinter den Kulissen dagegen muss in Einzelfällen
hart um die kleinen Vögelchen ge-kämpft werden. Den
Besuchern kaum zumutbar sterben immer wieder Jungtiere oder müssen
sogar eingeschlä-fert werden. Auch um die seltenen und wertvollen
Tiere kümmert man sich lieber Backstage. Im August waren
dies unter anderem ein Junges des extrem seltenen Kagus, Bali-Stare,
ein Paradiesvogel und ein kleiner Klaffschnabelstorch. Ebenfalls
in dieser Aufzuchtstation waren Tiere, die der Vogelpark Walsrode
geradezu in Mas-sen heraufzieht übrigens einmalig
in dieser Form. Dabei handelt es sich um Rosa Löffler und
Rote Sichler.
Sind die Jungtiere größer geworden und benötigen
nicht mehr der dauerhaften Hilfe des Menschen, kommen sie in einen
eigenen Gehegetrakt (hinter den Kulissen), bis sie in den Park
integriert oder verkauft werden können. Hier saßen,
als ich Praktikantin im Park war, u. a. Entenküken, Rosa
Löffler und Rote Sichler, kleine Mandschurenkraniche und
ein Jungtier des sehr seltenen Mähnen-Ibisses. Dieses Jungtier
ist Teil eines Projektes (siehe 1.3), bei dem Biologe Bernd Marcordes
auch die Eltern des Ibisses aus Madagaskar in den Park überführte.
Zu Ehren des Biologen bekam der Kleine den Namen Bernd.
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Ara Macao in der gläsernen Aufzuchtstation. Er schiebt gerade
Federn. Doch noch besteht er größtenteils aus flauschigen
Dunen. Für alle, die des Lateinischen nicht so mächtig
sind: das wird einmal ein dunkelroter Ara!
Süß, oder??? *seufz*
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Der Kagu ist extrem selten, deshalb wird das Jungtier dieses
Vogels auch in der Aufzuchtsstation aufgezogen. Das Foto zeigt
einen adulten Kagu.
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In
die Kranichjungen hab ich mich total verliebt! In jeder Lebensphase
einfach lieb und nett anzusehen.
Es gibt auch richtig unangenehme Jungvögel. Z.B. die Rosa
Löffler stinkend, quäkend und laut. Trotzdem auch sehr
interessant.
Info: Der kleine Mandschurenkranich hat sich prächtig entwickelt
und ist in das Gebäude für größere Jungtiere
umgezogen.
Nebendran wohnt sein Bruder (nicht im Bild), der etwas größer
und kräftiger ist. Sie können sich zwar sehen, sind
aber voneinander getrennt. Wie in der freien Wildbahn würde
auch hier im Park der größere den kleineren tothacken,
wenn er eine Gelegenheit dazu bekäme.
Der Kranich legt meist zwei Eier. Man nimmt an, als Versicherung
, sollte eines nicht zum Schlupfe kommen. Denn zwei Junge bekommt
er nicht satt und aufgezogen. Deshalb ist eines stets größer
und beißt gleich nach dem Schlupf den anderen tot. So ist
die Aufzucht des stärksten Junges gesichert, sicherlich auch
ein Evolutionsfaktor.
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Jungvogel des Silberklaffschnabels.
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