Ich sitze in einem kleinen Haus. Ich weiß
längst nicht mehr wie ich hierher gekommen bin. Hier sind viele
Menschen. Ich kenne nicht einen von ihnen, dennoch tröstet
mich ihre Anwesenheit. Ich weiß nicht, wie viele Tage vergangen
sind, seit ich meine Mutter oder meine Geschwister das letzte Mal
gesehen habe. Es scheint eine Ewigkeit her zu sein, aber die Sehnsucht
plagt mich um so mehr. Ich beschließe optimistisch zu sein
und der Dinge zu harren, die da kommen mögen.
Ich habe schon einige Freunde hier gefunden.
Gemeinsam reden wir viel, halten uns in den Armen und streicheln
uns den Kopf. Aber etwas stimmt ganz und gar nicht. Alle sind so....so,
ja so angespannt.
Heute erfahre ich, was meine Freunde so in Angst versetzt. Ein großes,
ja geradezu riesenhaftes Wesen tritt an unser Fenster. Ein solches
Wesen habe ich noch nie gesehen. Ein zweiter dieser Riesen tritt
hinzu. Sie reden....glaube ich. Ihre Stimmen sind tief und schleppend.
Es macht mir Angst!
Ich kann sie nicht verstehen, sie riechen
auch so seltsam. Mein Herz beginnt zu rasen. Während die anderen
Menschen längst panisch in der Hütte umherrennen, kann
ich mich vor Angst nicht rühren.
Man packt mich und dann wird es dunkel um mich her. Erst jetzt merke
ich, dass ich in einer dunklen Kiste sitze. Ich blicke durch eines
der winzigen Fenster, die sich in der Kiste befinden. Ich kann nichts
sehen, da die Kiste schwankt. Da! Das Schwanken hat aufgehört.
Ich höre einen dumpfen Knall. Es muss eine Autotüre gewesen
sein. Dieser Geruch, der von den Wesen aus geht, ist nun übermächtig
und lähmt mich. Nach einer Fahrt, die mir wie eine Ewigkeit
erscheint, finde ich mich plötzlich in einem winzigen Häuschen
wieder. Es ist gerade so groß, dass ich ein paar Schritte
gehen kann. An jeder Wand steht ein Stuhl, sonst nichts. Am Boden
befinden sich eine Kanne mit Wasser und ein Teller mit Brot.
Einige Wesen haben sich um mein Haus versammelt und starren mich
an.
Warum bin ich ganz allein!? Was passiert
nun mit mir?
Ich wünschte, ein Mensch wäre
bei mir, aber die Angst schnürt mir die Kehle zu. Ich kann
nicht rufen. Die riesenhaften Gesichter kommen näher. Dabei
sprechen sie in dieser unsäglichen, schleppenden Sprache mit
mir. Ich werde nun panisch und beginne in meiner winzigen Hütte
umherzurennen.
Was ist das für ein Geräusch?
Ich glaube, sie lachen. Kann es ein Lachen
sein?
Gut, wenn sie Spaß daran haben, tun sie mir vielleicht nichts.
Einige Tage sind vergangen. Meine Panik hat sich gelegt, keimt aber
immer wieder in mir auf.
Warum bin ich allein? Wie lange werde ich
in dieser winzigen Hütte bleiben müssen?
Die großen Wesen scheinen mir nicht
wehtun zu wollen. Heute gab es wieder nur Brot und etwas Wasser.
Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist. Ich habe die
Hoffnung, hier heraus zu kommen, schon fast aufgegeben. Ich glaube
auch nicht mehr daran, je wieder einen Menschen zu sehen. Immer
wenn ich daran denke, verfalle ich wieder in Panik und kann mich
nur dadurch wieder auffangen, indem ich singe.
Ich singe laut, um die Angst zu bekämpfen,
um meine eigene Stimme zu hören, um eine menschliche Stimme
zu hören.
Manchmal rufe ich. Keine Antwort. Ich rufe
lauter, keine Antwort. Ich rufe immer weiter, jetzt bloß keine
Panik!
So vergehen die Tage und ich habe mich an die großen Wesen
gewöhnt. Sie lassen mich manchmal raus! Aber ich komme dann
aus meinem Gefängnis und bin noch immer allein. Die großen
Wesen streicheln mich sanft und sprechen ihre eigenartige Sprache.
Natürlich verstehe ich sie nicht, aber ohne ihren Zuspruch
würde ich sterben. Ich sitze oft in ihren Armbeugen oder auf
ihren Schultern und lausche ihren Gesprächen. Sie sind alle
so nett zu mir. Wenn ich dann aber wieder in meiner kleinen Hütte
bin, überfällt mich die Einsamkeit. Ich beginne wieder
herumzulaufen. Immer im Kreis. Dabei erzähle ich mir leise
Geschichten. Vor dem Einschlafen wünsche ich mir einen Freund.
Jemanden, dem ich meine Gedanken mitteilen kann, der mir Geschichten
erzählt oder einfach nur meine Hand hält.
So viel Zeit ist nun verstrichen. Es bleibt, wie es ist. Wasser
und Brot, gelegentlich Freigang, die Zuwendung der großen
Wesen. Aber ich verstehe es nicht. Sie scheinen mich zu mögen,
aber warum quälen sie mich dann so? Ich fiebere nun jeden Tag
dem Moment entgegen, an dem sich die Tür öffnet und sie
mich auf die Hand nehmen. Ich bin unter ihnen und doch so allein.
Aber sie sind die einzigen, die ich habe.
Mein Herz wird immer kälter. Die Panik habe ich längst
überwunden. Da ist nur noch die verzehrende Sehnsucht nach
einem anderen Menschen.
Was passiert hier bloß?! Ich beginne
zu schreien. Wo sind all die anderen? Sie sind vielleicht ganz in
der Nähe? Sie hören mich sicher, wenn ich nur laut genug
rufe.
Meine eigenen Schreie hallen mir in den
Ohren wieder.
Ein großes Wesen tritt an meine Hütte.
Nein! Ich kann nicht mehr! Lass mich!
Eine riesige Hand greift nach mir. Aber
ich bin völlig außer mir und werde hektisch.
Nein, lass mich!
Ich werde wütend und beginne
auf die Hand einzuschlagen. Verärgert schubst man mich weg.
Dann wird es dunkel. Man hat meine Hütte zugedeckt! Ich weine
und schlafe ein. Die nächsten Tage wiederholt sich dieses Elend.
Die großen Wesen wollen mich nicht mehr. Sie sind wütend.
Ihre Hände sind voller blauer Flecke und Kratzer, die ich ihnen
zugefügt habe. Nun bin ich ganz allein.
Ich bin nun längst jenseits von Wut, Trauer und Sehnsucht.
Ich kann nicht mehr denken. Manchmal muss ich noch schreien. Mein
Herz ist schwarz und kalt wie ein Stein. Ich habe nun tausend Mal
jeden Ritz an den Holzbrettern gezählt. Ich beginne mir mein
Haar auszureißen. Ich kratze mir die Haut vom Leib.
Keine Schmerzen. Keine Trauer. Nur Leere und manchmal brennender
Hass.
Ich bin
kein geistloses Wesen.
Ich habe ein Seele.
Seht ihr das nicht!?
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