Saúl und Samantha
oder
Zwei in Venezuela gerettete Amazonen
von Samatha |
Sechs Uhr morgens, Caracas, die Millionenstadt, wacht auf. Die
ersten Sonnenstrahlen können schon am Himmel gesehen werden
und damit kommen die Aras den Avila, den Berg, der Caracas umrandet,
hinuntergeflogen. Ein Bild, das man sich kaum vorstellen kann: Blaue,
grüne und rote Aras schreien den Himmel entlang. Weiter zum
Osten der Stadt, am Guaire, dem Fluss, der Caracas teilt, kann man
Hunderte von Venezuelaamazonen hören und sehen. Sie genießen
ihre Freiheit.
Auch die Papageien, die fast zu jedem venezolanischen Haushalt
gehören, fangen mit ihrem Morgenruf an, aber sie müssen
leider ihren Tag in Käfigen beginnen. Wie gesagt, 90% der Venezolaner
haben einen Papagei. Ein süßes Wesen, das lacht, spricht
und pfeift. Sie werden aber meistens ein Leben lang in Käfigen
gehalten. Anmeldung, Beringung usw. kennt man nicht.
Wo werden diese Vögel gekauft? Leicht, man muss nur zum Inneren
des Landes fahren. Wunderschöne Natur: Zum Osten hin vermischen
sich die Palmenblätter mit den riesigen Bäumen und am
Horizont das schöne blaue Karibische Meer.
Am Straßenrand werden immer Früchte, Orchideen und Wildtiere
angeboten. Ja, Wildtiere wie Affen, Gürteltiere und jede Menge
Vögel. Die Vögel werden meistens mit Klebe gefangen. Die
größeren Arten haben das Glück, sich nicht unbedingt
die Pfoten oder Flügel zu brechen, die kleineren Arten, haben
dieses Glück nicht. Wie viele Male habe ich diese Vögel
abgekauft, mit nach Hause genommen und verarztet. Mit einer Nagelschere
werden die verklebten Federn abgeschnitten und dann, wenn sie sich
erholt haben, können sie wieder ihre Freiheit genießen.
Ein Elend, das man sich kaum vorstellen kann.
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Aber nicht immer muss man aus Caracas fahren, um einen Papagei
zu bekommen.
An einem Sonntagnachmittag sitze ich mit einigen Freundinnen in
einem Cafe. Auf einmal kommt ein Mann herein und setzt dieses kleine,
hässliche Wesen mitten auf den Tisch. Am Schnabel erkenne ich,
dass es sich um einen Papagei handelt, und denke mir, diesen Vogel
musst du retten, er darf nicht sein Leben im Käfig verbringen.
Also sammeln meine Freundinnen und ich das Bargeld zusammen und
ich nehme den Vogel, der Saúl getauft wird, mit nach Hause.
Mehrmals am Tag und während der Nacht wird er gefüttert
und so verwandelt er mich in eine Vogelmama. Nach einigen Monaten
ist Saúl eine schöne, prächtige "Cotorra Amarilla"
(Amazona Barbadensis). Keine Ahnung hatte ich, dass diese Art kurz
vor der Ausrottung steht.
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Ein paar freie Tage und wir fahren zum Strand. Mal wieder steht
am Straßenrand jemand mit etwas Flatterndem in der Hand. Wir
halten an und sehen, dass es sich um eine Venezuelaamazone handelt.
Sie wird als Küken angeboten, obwohl das Tier schon vollkommen
ausgewachsen ist. Die Schwanzfedern wurden abgeschnitten und fliegen
kann sie auch nicht, aber nur, weil irgendwann der Flügel mal
gebrochen war und nicht wieder richtig zusammengewachsen ist.
Dieser Papagei wird Samantha getauft. Sie hat fürchterliche
Angst vor Menschen, besonders vor Frauen, aber mein Mann scheint
ihr etwas Vertrauen zu geben.
Langsam gewöhnen sich die beiden Grünen aneinander und
so werden sie ein gleiches/ungleiches Paar.
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Januar 2000: Wir bekommen die Nachricht, dass mein Mann nach Frankreich
versetzt wird. Dann fängt mein Kampf für meine Tiere an,
da es für mich nicht in Frage kommt, diese in Venezuela zu
lassen. Die Familie gehört zusammen.
Ich fange an mich zu erkundigen und gehe hoffnungsvoll zum Ministerium.
Ich glaubte da noch an die Vernunft der Menschen, aber da hatte
ich mich geirrt.
Das erste Mal gehe ich in gutem Glauben hin und erzähle, dass
ich meine Papageien mitnehmen möchte. Ich mache den Leuten
auch klar, dass diese beiden nicht mehr in Freiheit leben können.
Ohne mich zur Wort kommen zu lassen, bekomme ich ein promptes NEIN
und die Antwort, ich sollte doch die Tiere verschenken oder in einen
Zoo geben.
Mein Gott, kein Zoo, dort sind sie nicht gut aufgehoben und Saúl
und Samantha haben ja keine Ahnung, wie sie sich gegenüber
ihren Artgenossen verteidigen sollen. Samantha hat nicht mal die
Kraft sich auf dem Finger zu halten, deswegen war die Schulter der
beste Platz und Saúl ist ja fast wie ein Mensch aufgewachsen.
Und den Rest ihres Lebens in einem Käfig zu verbringen, kam
auch nicht in Frage. Diese Vögel waren an Freiheit gewöhnt.
Sie durften im Garten sein, auf die Bäume klettern und was
sie am meisten genossen, war im Regen bis zum ersten Stock die Bäume
hochzuklettern um dann wieder runter zu gehen und den ganzen Spaziergang
von vorn zu beginnen.
Ich gebe nicht auf und fahre immer wieder zum Ministerium. Zum
guten Schluss und weil ich die Leute schon aufregte, wurde mir gesagt,
wenn ich unbedingt Papageien mit nach Frankreich nehmen wollte,
sollte ich doch Vögel, die das Ministerium zur Ausfuhr freigibt,
mitnehmen. Ich dachte, ich höre nicht richtig, aber meine Neugier
siegte und ich tat so, als würde mich das interessieren.
Ich bekam dann auch eine Telefonnummer, wo ich natürlich anrief.
Mit Erstaunen erfuhr ich, dass ich bei einer Schlachterei gelandet
war. Der Eigentümer hatte mal eben so nebenbei die Genehmigung,
diese Tiere zu exportieren. Als ich fragte, wo die Tiere herkamen
und wo sie gezüchtet werden, wurde mir erklärt, dass während
der Brutzeit Leute geschickt werden, um die Küken aus dem Nest
zu holen. Dann werden sie beringt und zum Export freigegeben, natürlich
mit einem wunderschönen Stempel vom Ministerium. Wie sie verschickt
werden, habe ich leider oder zum Glück nicht erfahren, aber
ich kann mir vorstellen, dass die armen Tiere massenhaft in Käfige
gesteckt werden, um sie nach Europa und den Rest der Welt zu verschicken.
Zum guten Schluss und zum letzten Mal versuche ich es erneut beim
Ministerium. Natürlich regte ich die Behörden schon auf
und dann wurden von mir US$ 2000 pro Vogel verlangt. Gemein, hätte
ich das Geld gehabt, hätte ich es bezahlt.
August 2000: Ich muss leider nach Frankreich. Saúl
und Samantha werden von meiner Schwester und meiner Mutter gepflegt.
Ich sitze im Flieger mit meinen drei Hunden. Tränen fließen,
aber ich werde meine Babys nicht lange zurücklassen, das kommt
nicht in Frage, irgendwie bringe ich sie zu uns nach Frankreich.
Juni 2001: Wir halten es nicht mehr aus und ich fliege wieder
nach Venezuela. Mit viel Mühe und der Hilfe von Freunden gelingt
es schließlich, Saúl und Samantha mit nach Frankreich
zu nehmen. Endlich konnte ich sie nach Hause holen, und als Samatha
meinen Mann sah, sprang sie sofort auf ihn. Sie hat ihn sofort erkannt
und seitdem trennt sie sich nicht mehr von seiner Seite.
Saúl singt seine Lieder und sorgt für das Leben im
Haus. Die Hunde waren nicht so erfreut, da sie das Sofa wieder mit
den Papageien teilen mussten, aber so ging es auch mit den Leckereien,
also war es nur halb so schlimm...
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Leider hat diese Freude nur zwei Jahre angehalten, da Saúl
im Mai 2003 erkrankte. Der Veterinär in Frankreich kennt sich
nicht mit tropischen Vögeln aus. Ich rufe meinen Veterinär
in Caracas an, der mir die Medizin beschreibt, die ich Saúl
geben muss. Nach einigen Tagen geht es ihm wieder besser, aber dann,
als ich dachte, es sei überstanden, hatte er einen Rückfall.
Verzweifelt rufe ich mehrmals den Veterinär in Caracas an.
Ich finde auch einen in Paris, der aber, und obwohl ich sagte, es
wäre dringend, mir einen Termin zwei Wochen später gab.
An dem Abend schlief Saúl mit uns im Bett und dann kam sein
Ende. Mein Mann und ich haben tagelang geweint und sahen, wie traurig
Samantha war und von Tag zur Tag apathischer wurde.
Verzweifelt und dringend versuchen wir einen Partner für Samantha
zu bekommen. Stundenlang suche ich im Internet. Wir suchen Züchter
oder am besten Vögel, die abgegeben werden, weil die Leute
sie nicht mehr halten können. Aber eine Woche später starb
Samantha auch. Für uns war das das Ende. Das Leben im Hause
war weg, sie fehlten uns überall. Beim Essen, im Garten....
Nach einigen Wochen fange ich wieder im Internet an zu suchen und
finde dann Sarah, die wir im Juli in Deutschland abgeholt haben.
Sarah war aber auch alleine und es musste unbedingt ein Partner
her. So bin ich an das Vogelforum gelangt und habe Georgie gefunden.
Horsti, der mit ihm zusammenlebte, war gar nicht geplant, aber dann
kamen direkt zwei Papageien mit.
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