Liebe Leser,
einige
von Euch dürften mich ja bereits kennen. Mein Name ist Rita
und ich bin eine stolze Edelpapageiendame. Ich möchte Euch
in mehreren Briefen ein bisschen
was über mein Leben erzählen. Am besten ich fange ganz
am Anfang an.
Im Mai 1997 entdeckte
mich Karin im Zoogeschäft und kurz darauf stellte ich mich
brieflich bei der Verwandtschaft vor:
„Hallo Leute, ich
wurde vor 4 Wochen von meiner Familie adoptiert, habe alle gleich
zur Begrüßung kräftig in die Finger gezwickt, damit
sie wissen, mit wem sie es zu tun haben
.
Mein neues Frauchen, die Karin, hatte so tolle glitzernde Ohrringe
an. Kein Problem für mich, ein Biss und weg war der. Jetzt
sind sie vorsichtiger geworden. Beim Frauchen bin ich eigentlich
ganz lieb, nur wenn sie meine Futternäpfe auffüllt, muss
sie aufpassen, da fauche und knurre ich, könnte ja sein, dass
sie mit den Näpfen auf nimmer Wiedersehen verschwindet.
Wir haben jetzt schon ein richtiges Ritual eingeführt. Zuerst
wird der Käfig geputzt. Frauchen murmelt dabei wie eine Blöde
„Achtung, Käfig putzen“, dann holt sie das grässliche
Ding namens Staubsauger, stopft sich vorher sicherheitshalber Ohrstöpsel
rein, weil ich dann immer fürchterlich kreischen muss, dann
schreit sie zurück „keine Angst, nur Teppich saugen“
(dabei will ich doch duschen, doch das wird sie wohl auch irgendwann
mal kapieren), aber dann kommt das schönste: Mein Spielplatz
wird gerichtet. Also eine alte Tischdecke auf den Wohnzimmertisch,
alle Vorhänge zugezogen, sämtliche Stuhllehnen außer
Reichweite (da nage ich nämlich so gerne dran) und meine Spielsachenkiste
auf den Tisch. Da hänge ich schon voller Begeisterung an der
Käfigtür. Frauchen hat sich wieder die Ohrstöpsel
rein, weil ich sie vor Freude wieder halb taub kreischen werde.
Endlich geht die Käfigtür auf und ich wetze im Laufschritt
raus zu meiner Schachtel hin. Hach, da sind so tolle Sachen drin:
Glöckchen, Kugeln, eine Kinderrassel, Spiegel und eine Hantel
mit Glöckchen drin. Alles fliegt in hohem Bogen raus aus der
Schachtel. Am liebsten habe ich die grünrote Rolle.
Da fallen mir gleich
sämtliche Sprüche ein, die ich beherrsche. Mache ein hohles
Kreuz, klappere mit den Augendeckeln und wiege mich in Zeitlupentempo
hin und her. Meine Herrschaften sind ganz hin und weg, wenn ich
ihnen etwas erzähle. Kann schon eine ganze Menge, das meiste
natürlich noch auf schwyzerdütsch, aber hochdeutsch lerne
ich mit der Zeit auch noch. Von Gaby habe ich schon gelernt: „Volle
Kanne“, „Hoschi“ und “oh, verdammt“.
Von Conny habe ich „Du bist die Schönste“. Na ja,
ansonsten rassle ich halt noch mein altes Repertoire runter: „Wötsch
en Kafi? Neinei“ (das heißt übersetzt „Willst
du einen Kaffee, neinnein“, falls ihr kein Schweizerdeutsch
versteht), „Bisch dusse?“ („Bist du draußen?“),
„Wie gohts?“ („Wie geht es?“) „Nöt
biise, auaua“ („Nicht beißen, auaaua“) und
so weiter und so fort.
Wenn ich jetzt draußen
bin, da kann ich auch mal so richtig mit den Flügeln schlagen
und Sprünge vollführen, bin sogar schon mal losgeflogen
und hing dann am Vorhang fest. Weil meine Krallen zu lang waren
und ich so erschrocken war, hatte ich dann Gaby, die mir zur Hilfe
eilte, kräftig gebissen. Aber sie hatte es mir Gott sei dank
nicht übel genommen.
Wenn dann die Spielstunde
zu Ende ist, geht Frauchen eine Walnuss holen. Ich weiß schon,
wo die stehen. Sie macht sie mir ein kleines bisschen kaputt und
dann lockt sie mich mit dieser Nuss in den Käfig zurück.
Dort kann ich sie in aller Ruhe vollständig aufbrechen und
den feinen Inhalt mampfen. Jetzt muss ich meine Federn wieder richtig
ordnen, das nimmt längere Zeit in Anspruch. Ich habe ja gestutzte
Flügel, finde ich grässlich. Aber nun habe ich schon zwei
neue lange Schwungfedern bekommen, damit diese Federlosen sehen,
wie schön ich mit vollem Gefieder bin. Übrigens habe ich
gehört, dass Conny gerade im Keller ist und für mich einen
Kletterbaum bastelt, damit ich auch einen Anflugpunkt habe, wenn
ich raus darf. Bin schon sehr gespannt darauf.
Manchmal muss ich einfach
schreien, dass den anderen die Ohren wackeln. Wenn sie mich nicht
beruhigen können (Ich weiß ja vielleicht selbst nicht,
warum ich so kreische), dann schieben sie mich mitsamt dem Käfig
raus in den Flur. Dort beruhige ich mich sehr schnell wieder und
wenn sie mich wieder zurückholen, bin ich der liebste Vogel,
den man sich vorstellen kann, und erzähle ihnen viele Geschichten.“
So, nun habt Ihr mich
auch mal kennen gelernt. Ich hoffe, dass ich recht viele Jahre froh
und munter hier verbringen darf und grüße Euch im Namen
der ganzen Familie recht herzlich. Ich werde Euch in Zukunft weiter
von meinem Leben berichten.
Eure Rita
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