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Mysterium Körnerfutter- Ein Blick hinter die Schale


Von Stefan Rosenträger

Eine Frage, die für jeden Vogelhalter immer wieder aktuell ist, ist die Frage nach dem richtigen Körnerfutter. Schließlich bildet es die Basis einer vernünftigen Ernährung und folglich eines gesunden Vogellebens. Doch wie erkennt man ein gutes Körnerfutter? In unserer neuen Serie wollen wir einen „Blick hinter die Schale“ werfen und die verschiedenen Vogelfuttersorten näher vorstellen.

Hierfür muss man schon einen Blick auf die genaue Zusammensetzung und die Inhaltsstoffe der einzelnen Saaten werfen.
Grundsätzlich ist es so, dass wir unseren Vögeln, egal wie sehr wir uns bemühen, lediglich ein Ersatzfutter anbieten können, das nie vollständig an das herankommt, was die Tiere in freier Wildbahn vorfinden. Wellensittiche zum Beispiel ernähren sich in ihrer australischen Heimat von verschiedenen Wildgräsern. Die Hauptnahrung, die sie in Menschenhand erhalten, Spitzsaat, wächst hingegen gar nicht in Australien, sondern kommt ursprünglich auf den Kanarischen Inseln vor.
Die Ersatznahrung, die wir verfüttern, ist aber dennoch von ihrer Zusammenstellung her so konzipiert, dass sie den natürlichen Bedürfnissen der einzelnen Arten so weit wie möglich entspricht.
Um den Wert des Futters zu beurteilen, kann man eine Rohwertanalyse machen, bei der unterschieden wird nach Kohlenhydraten, Roh-Fettanteil, Roh-Proteinanteil und Roh-Asche. Einen größeren Stellenwert nimmt die so genannte Feinwertanalyse ein, die Auskunft gibt über die einzelnen Bestandteile und ihren genauen Anteil im Futter. Man differenziert beispielsweise Kohlenhydrate nach Einfachzucker, Mehrfachzucker und Stärke oder Roh-Fett nach einfachen und ungesättigten Fettsäuren. Mit Hilfe dieser Aufschlüsselung kann man also schon wesentlich mehr über die Wertigkeit des Futters erfahren, auch wenn das alles natürlich eine sehr wissenschaftliche Vorgehensweise ist.
Die Methode „für den Hausgebrauch“, die häufig in der Literatur empfohlen wird, ist eine Keimprobe durchzuführen, um die Qualität des Futters festzustellen. Doch gute Keimfähigkeit der Körner bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Saaten auch qualitativ hochwertig sind. Einige Körnersorten werden zum Beispiel nach der Ernte mit Öl behandelt. Damit wird bewirkt, dass nur wenig Wasser in die Körner eindringt und der Keimvorgang verzögert wird. Hier hat eine geringe Keimrate also nichts mit der Frische zu tun.
In vielen Futtermischungen sind zudem Saaten enthalten, die überhaupt nicht mehr keimfähig sind, wie es beim geschälten Hafer der Fall ist. Es gibt sogar Saaten, die von Haus aus schwer bis gar nicht zum Keimen zu bringen sind. Leinsaat bildet so genannte Schleimstoffe, welche die Poren der Samen verkleben und den Keimvorgang erschweren. Hier lässt sich quasi kein Rückschluss auf die Qualität und Frische des Futters ziehen, da die Schleimstoffe auch die Poren der anderen Körner verstopfen.
Entscheidend für den Wert eines guten Futters ist neben der Frische und der Roh- und Feinwertanalyse natürlich der Gehalt der einzelnen Saaten. Schließlich stellen die verschiedenen Arten schon allein von ihrer Körpergröße und ihrer gesamten Lebensweise her unterschiedliche Ansprüche an ihre Ernährung. Ein Ara hat logischerweise einen anderen Energiebedarf als ein Sperlingspapagei.
Die Saaten lassen sich einteilen in so genannte Ölsaaten, kohlenhydratreiche, proteinreiche und mehlhaltige Saaten. Hier zunächst eine Auflistung der wichtigsten und bekanntesten Körnersorten:

Zu den bekanntesten und wichtigsten Saaten zählen wohl die verschiedenen Hirsesorten wie Kolbenhirse, Japanhirse, Silberhirse etc. Hirse hat mit Abstand den höchsten Gehalt an Vitalstoffen. Sie ist reich an Vitaminen, Mineralstoffen und Eiweiß. Im Vergleich zu anderen Getreidesorten besitzt sie außerdem den höchsten Eisengehalt. Das macht sie auch so wichtig, wenn man kranke Vögel aufpäppeln will, sie wird gerne gefressen und ist sehr gehaltvoll. Die positiven Eigenschaften von Hirse werden jedoch durch eventuell enthaltene Gerbstoffe vermindert, die bei der Verarbeitung nicht entfernt worden sind. Gerbstoffe sind deshalb schädlich, weil sie die Verfügbarkeit von Mineralstoffen im Darm verringern.

Kanariensaat oder Glanzsaat hat einen hohen Gehalt an Rohprotein, Stärke, Rohasche und Tryptophan, einer Aminosäure, die gut für den Stoffwechsel ist. Sie hat außerdem einen geringen Fettanteil eignet sich gut als Keimfutter und ist Hauptbestandteil vieler Samenmischungen. Daher ist sie nicht nur für Kanarienvögel geeignet, wie der Name vermuten lässt.

Hafersamen sind sehr kohlenhydratreich und mit etwa 13 Prozent Eiweiß das eiweiß- und fettreichste Getreide. Gegenüber anderen Saaten zeichnet Hafer sich als besonders hochwertig aus, da er fast alle wichtigen Mineralstoffe wie Calcium, Magnesium, Eisen, Phosphor, Mangan und Kupfer enthält. Mit den im Haferkorn reichlich enthaltenen lebenswichtigen ungesättigten Fettsäuren kann ein Großteil des täglichen Bedarfs gedeckt werden.
Trotzdem sollte man Hafer aber nur in geringen Mengen verfüttern, da er den Bruttrieb stark fördert und zu Fettsucht führen kann. (Foto3)

Sonnenblumenkerne enthalten verschiedene Aminosäuren wie Lysin oder Methionin und sind mit bis zu 50 Prozent Fett sehr energiereich. Besonders bei mausernden und krankheitsbedingt untergewichtigen Vögeln ist die Fütterung von Sonnenblumenkernen sinnvoll.

Die Kardisaat, die eigentlich zur Familie der Disteln gehört, ähnelt nicht nur im Aussehen den weißen Sonnenblumenkernen. Auch von der Zusammensetzung her sind sie ähnlich, da sie fast ebenso fetthaltig ist.

Leinsamen oder Flachs-Samen enthalten viele Balast- und Schleimstoffe und wirken sich positiv auf die Darmfunktion aus. Sie sollten aber auch nur in Maßen verfüttert werden, da sie fettreich sind und viele Blausäureglykoside enthalten.

Gingillakraut oder Negersaat ist eine relativ teure Samensorte, sollte aber in einer guten Mischung nicht fehlen, da sie eine der wenigen Saaten mit einem guten Kalzium/Phosphor-Verhältnis ist. In zu großen Mengen kann die Verfütterung jedoch gegebenenfalls zu Durchfall, im Extremfall zu Leberschäden führen.

Mungobohnen oder grüne Sojabohnen eignen sich besonders zum Keimen und Heranziehen von Sprossen. Sie sind besonders reich an Eiweiß, Vitamin A und E sowie zahlreichen Mineralstoffen. Sie enthalten aber auch Phasin, ein natürliches Gift, das während des vier- bis fünftägigen Keimvorgangs abgebaut wird.

Blaumohn macht sich neben der hochwertigen Zusammensetzung der Fettsäuren auch durch den bemerkenswert hohen Gehalt an Calcium, Kalium und Magnesium interessant für die Ernährung von Mensch und Vogel. Die blauen Samen haben einen Ölgehalt von rund 40 bis 45 Prozent. Das Fettsäuremuster weist einen hohen Anteil an Linolsäure (60 bis 75 Prozent), Ölsäure (10-22 Prozent) und Palmitinsäure (10 bis 12 Prozent) und über 70 Prozent mehrfach ungesättigter Fettsäuren auf. Blaumohn ist ein sehr fettreicher Samen von der Papaverpflanze. Er besitzt beruhigende Eigenschaften und ist dazu geeignet, nervöse Tiere bei Ausstellungen „ruhig zu stellen“. Er kann allerdings auch den Gesang hemmen.

Der Buchweizen ist, botanisch betrachtet, kein Getreide, sondern gehört zu den Knöterichgewächsen. Buchweizenkörner sehen aus wie kleine Bucheckern. Ihre Zusammensetzung ähnelt der von Getreide. Sie lassen sich auch so verarbeiten, daher wird der Buchweizen zu den Getreidearten gerechnet. Besonders hochwertig ist er durch seinen hohen Gehalt an lebenswichtigen Aminosäuren wie Lysin, Arginin und Tryptophan und durch die Vitamine B, E sowie die Mineralstoffe Kalium, Calcium, Phosphor, Magnesium, Eisen und Fluor. Buchweizen wird vor allem auf armen Sandböden angebaut. Er ist fettarm und reich an Kohlenhydraten und Stärke.

Mais kann in reifem oder halbreifem Zustand verfüttert werden. Trotz vieler Kohlenhydrate, Vitamin A und Phosphor ist Mais keine vergleichsweise so wertvolle Saat, da er nur wenige Vitamine und Mineralstoffe enthält und auch der Eiweißanteil relativ gering ist. Eine „maisbetonte“ Ernährung kann zu einer Unterversorgung an bestimmten Aminosäuren führen.

Nüsse, zum Beispiel Erdnüsse, Haselnüsse, Paranüsse, Walnüsse usw. sind sehr fetthaltig und dürfen daher nur in kleineren Mengen gegeben werden. Am besten ist es, Nüsse separat aus dem Supermarkt zu kaufen und sie zusätzlich zum Futter zu geben (dabei darauf achten, nur ungesalzene Nüsse zu verwenden, nicht das „Knabberzeug“ aus dem Supermarkt). Die Nüsse von dort sind für den menschlichen Verzehr bestimmt und laborkontrolliert. Im Großsittichfutter enthaltene Nüsse sind sehr häufig pilzbelastet und in zu großen Mengen beigefügt. Zwar kann ein gesunder Vogel mit intaktem Immunsystem die Pilzsporen verkraften, die ständige Gabe von verpilztem Futter ist aber natürlich nicht gesund.

Reis besteht zu 70 Prozent aus Stärke, zu etwa einem Prozent aus Fett und zu etwa acht Prozent aus Eiweiß. Er ist reich an essentiellen Aminosäuren sowie Phosphor, Calcium, Magnesium und Eisen. Vollkornreis enthält zudem viele Vitamine, die weißem geschälten Reis fehlen.

Sesam glänzt durch den Reichtum an Vitamin E, B1, B2, Provitamin A, Calcium, Magnesium, Eisen, die ungesättigten Fettsäuren, Mangan und Nickel. Eine reichliche Portion Lecithin, nervenstärkend und cholesterinsenkend, rundet das Nährstoffspektrum des Sesamkorns ab.

Hanf fördert den Bruttrieb und soll in kalten Jahreszeiten günstig auf Vögel in Außenvolieren wirken. Die Samen können immerhin mit einem Gehalt von etwa 30 bis 35 Prozent hochwertigen Öls und etwa 20 bis 25 Prozent wertvollen Eiweißes aufwarten. Sie bieten außerdem reichlich B-Vitamine sowie Kalzium, Eisen und Magnesium. Hanf darf nur als Vogelfutter verwendet werden, das Keimen oder Anbauen ist verboten.

Weizen zählt man zu den kohlenhydratreichen Samen. Er enthält die Vitamine B1, B2, B6, Karotin, Magnesium, Kalium, Schwefel (gut für die Federbildung) und Kieselsäure. Das Getreide ist sehr gut zum Keimen geeignet und hat einen hohen Anteil an Stärke und Proteinen, wobei der Fettgehalt eher gering ist. Essentielle Aminosäuren kommen im Weizen allerdings weniger vor.

Der Fachhandel, z.B. die Bird-Box, bietet eine große und qualitativ hochwertige Auswahl an Fertigmischungen an, die speziell auf die Bedürfnisse der einzelnen Arten zugeschnitten sind. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann das Futter für seine Vögel auch individuell zusammenstellen. Fast alle Saaten sind einzeln abgepackt erhältlich.
Aber Vorsicht: Dazu sollte man aber schon etwas mehr Erfahrung mitbringen, sonst wird die „Eigenkreation“ schnell zu einseitig oder geht an den Ansprüchen der Tiere vorbei.

Dies war ein kleiner Einblick „hinter die Schale“, um zu zeigen, wie komplex die Ernährung unserer Vögel aufgebaut ist. Unsere Körnersortenliste soll ständig erweitert werden. Dabei könnt Ihr uns gerne unterstützen. Wer weitere Sorten und deren Zusammensetzung kennt, kann einfach eine Mail an stefan@pirol.de schicken.

 

 


 


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